Dieser Sammelband erschlieĂt Texte Leo Tolstois (1828-1910) ĂŒber die Weisung "BekĂ€mpft nicht Böses mit Bösem", die er neben dem grundlegenden Werk "Das Reich Gottes ist in euch" und im Anschluss an dieses verfasst hat - darunter auch den "Brief an einen Hindu" (1908) sowie seinen Austausch mit Mahatma Gandhi (1909/10). Den ethischen Traktaten (Sprache der Moral) ist die "Sprache der Weisheit" zur Seite gestellt: "Jede Gewalt widerstrebt der Vernunft und der Liebe. Nehme keinen Anteil an ihr."
Die Kritiker werfen dem Liebhaber der Bergpredigt vor, sich hinsichtlich der Verbrechen und Leiden in der Geschichte bequem auf eine Zuschauerrolle zurĂŒckzuziehen (Tatenlosigkeit, Weltflucht etc.). Im Fall von Tolstoi wirkt ein solcher Vorwurf geradezu absurd, wenn man bedenkt, wie dieser sich ĂŒber Jahrzehnte hin - förmlich bis hin zum letzten Atemzug - gegen Todesstrafe, Krieg, Hungersnot, Repressionsapparate und soziales Unrecht engagiert hat. Die AnhĂ€nger des Gewalt-Aberglaubens mĂŒssen sein VerstĂ€ndnis des "Nichtwiderstrebens" mutwillig verzerren, um von PassivitĂ€t und fehlender Anteilnahme sprechen zu können. Im April 1890 schreibt Tolstoi darĂŒber: "Man verwechselt (absichtlich, wie es mir scheint) das Wort 'Widersetze dich nicht dem Bösen durch Böses' mit 'Widersetze dich nicht dem Bösen', d.h. mit 'Sei gleichgĂŒltig dem Bösen gegenĂŒber'. WĂ€hrend der Kampf gegen das Böse das einzige Ziel des Christentums ist, und das Gebot vom 'dem Bösen nicht widerstreben' als das wirksamste Kampfmittel gegeben ist."
Ohne Hinwendung zur Gewaltfreiheit gibt es Tolstoi zufolge fĂŒr die menschliche Familie keine Zukunft: "Begreift, dass die ErfĂŒllung des von uns erkannten höchsten Gesetzes der Liebe, das die Gewalt ausschlieĂt, zu unserer Zeit fĂŒr uns ebenso unvermeidlich ist, wie es fĂŒr die Vögel unvermeidlich ist, umherzufliegen und Nester zu bauen."
Tolstoi-Friedensbibliothek
Reihe B, Band 5 (Signatur TFb_B005)
Herausgegeben von Peter BĂŒrger