Friedrich Schleiermacher (1768-1834) gehört zu den Wegbereitern eines vorurteilslosen Interesses für fremde Religionen und Kulturen. In seinem frühen Werk "Über Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern" (1799) beschreibt er die Vielfalt der Religionen als unterschiedliche Weisen, das Unendliche im Endlichen "anzuschauen". Und sein später theologischer Entwurf, "Der christliche Glaube" (1821-22/1830-31), bestimmt das Spezifische des Christlichen konsequent im Kontext der andern Religionen. In seinen Entwürfen zur Hermeneutik und Dialektik schließlich bedenkt Schleiermacher die Relativität von Erkenntnishorizonten und schärft mit seinem Prinzip, daß nicht das Verstehen, sondern das Mißverstehen sich "von selbst" ergebe, einen unbedingten Respekt vor dem Fremden und Individuellen ein. - Dieses Buch erschließt Schleiermachers Beitrag zum interkulturellen und interreligiösen Denken vor dem Hintergrund der perspektivistischen Erkenntnistheorie, die in den "Reden" umrissen und in der Dialektik unter veränderten Vorzeichen weiterentwickelt wird: Erst in der Totalität der individuellen, im Dialog versöhnten Perspektiven kann die Totalität des Seins zur Darstellung kommen.
Zum Autor:
Andreas Krebs studierte Philosophie, Theologie, Germanistik und Mathematik u.a. an den Universitäten Bonn, Oxford und Trier. Promotion zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Ludwig Wittgenstein. Derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alt-Katholischen Seminar der Universität Bonn.
Rezension in: Christen heute. Zeitschrift der Alt-Katholiken für Christen heute, 55. Jahrgang, Juni 2011, Seite 141.