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Gedichte

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Gleich zu Beginn des kenntnisreichen und erhellenden Nachworts von Volker Ebersbach zu diesen von ihm aus dem Lateinischen ĂŒbersetzten Gedichten des Gaius Valerius Catullus, der von etwa 87 bis 54 v. u. Z. lebte, findet sich eine sehr interessante Bemerkung:

„Große Teile der antiken Literatur sind verlorengegangen. Wir können sicher sein, dass wir unter den Werken, die wir heute besitzen, auch die grĂ¶ĂŸten finden. Ob aber das Verlorene immer das Schlechtere als das Überlieferte war, kann niemand mit Bestimmtheit sagen.“

Zum GlĂŒck war durch mehrere ZufĂ€lle zumindest eine einzige Handschrift in Catulls Vaterstadt Verona bis ins Mittelalter vor der Vernichtung bewahrt worden. Das spĂ€te Kaiserreich kannte Catull nicht mehr, weil sein Werk sich nicht fĂŒr die Rhetorenschulen eignete; dazu war es zu originell. Im 10. Jahrhundert las der Bischof Rather von Verona die antike Handschrift, die in der Verborgenheit des Vergessens die unruhige Zeit der Völkerwanderung ĂŒberdauert hatte. Seine Freude daran war nicht ungetrĂŒbt – er glaubte, sich eines solchen VergnĂŒgens schĂ€men zu mĂŒssen. Dann verschwand der Kodex wieder.

Erst zu Beginn der Renaissance im 14. Jahrhundert wurde er von den ersten Humanisten mehrfach abgeschrieben; seitdem ist er verschollen, und die Abschriften sind heute die einzige Textquelle.

In seinem Nachwort Ă€ußert sich Ebersbach auch zur Biografie des Dichters: „Über das Leben des Gajus Valerius Catullus wissen wir außer dem, was aus seinen Gedichten hervorgeht, nur wenig, und das Wenige nicht einmal sicher. WidersprĂŒchlich sind die Lebensdaten, die Hieronymus im 4. Jahrhundert u. Z. zu nennen weiß, gestĂŒtzt auf eine verloren gegangene Schrift Suetons, des kaiserlichen Kanzleibeamten Hadrians (2. Jh. u. Z.). Dass Catull nur wenig mehr als dreißig Jahre gelebt hat, ist außer Zweifel. Nicht vor 87 v. u. Z. ist er geboren und wohl 54 v. u. Z. gestorben.

In seinem Geburtsort Verona gehörten die Valerier zu den reichsten und angesehensten Familien. FĂŒr den Sohn eines solchen Hauses fĂŒhrte der Weg so frĂŒh wie möglich nach Rom. Die Hoffnungen, die der Vater an die damals ĂŒbliche rhetorische Ausbildung seines Sohnes knĂŒpfte, mochten sich auf die Laufbahn eines tĂŒchtigen Juristen oder gar Politikers richten. Doch er wurde enttĂ€uscht.

FĂŒr uns Heutige mischen sich in seinem schillernden und kontrastreichen Werk grobe und freche, an Drastik kaum zu ĂŒberbietende SchmĂ€hungen mit Versen von erlesenem KĂŒnstlertum, Gedichte voller Leidenschaft und voller Trauer.