Meister Floh: Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde
von E. T. A. Hoffmann, erzählt von Peter Bieringer.
Gedankenkontrolle, Mediendiktatur, Polizeistaat – diese Schlagwörter machen unter Anhängern von Verschwörungstheorien derzeit die Runde. Aber solche Dystopien sind nicht neu. Wir finden sie bei George Orwell und auch schon vor 200 Jahren bei E.T.A. Hoffmann. Er selbst wurde von der preußischen Inquisition in die Mangel genommen, sein Märchen vom Meister Floh durfte nur stark zensiert erscheinen.
Wie bitte, ein Märchen auf dem Index?
Darum geht es: Peregrinus, ein sympathischer, aber lebensunerfahrener Junggeselle aus Frankfurt am Main verliebt sich in ein rätselhaftes weibliches Wesen, das scheinbar zufällig seine Wege kreuzt. Aber die Dame ist auf der Suche nach einem winzigen sechsbeinigen Magier, der sich aus einem Flohzirkus in den Kragen des jungen Mannes geflüchtet hat. Meister Floh revanchiert sich bei seinem Beschützer, indem er ihm auf Wunsch ein Mikroskop ins Auge setzt, mit dessen Hilfe er die wahren Gedanken der Personen durchschauen kann, die ihm mit Falschheit nach dem Mund reden. Doch noch andere Figuren beanspruchen die Liebe des Mädchens, phantastische Wesen, die in unterschiedlichen Gestalten auftreten und sich wunderlich in den nüchternen Alltag des Peregrinus einmischen: Genien, Astronomen, Feen, Könige, sprechende Blumen. Es entbrennt ein abenteuerlicher Kampf mit den übermächtigen Elementen. Wehe, das Gedankenmikroskop gerät in falsche Hände! Gefahr droht auch aus dem Diesseits durch den Geheimen Rat Knarpanti, der mit den absurdesten Finten unschuldige, aber der Staatsmacht unbequeme Bürger hinter Schloss und Riegel bringen will. (Auch das leider in vielen Ländern sehr aktuell.) Doch die Aufrichtigkeit des Peregrinus führt schließlich zu einem versöhnlichen Ende.
Meister Floh ist Hoffmanns letzte Erzählung. Die Passagen über politische Verfolgung – der reale Polizeichef hieß Kamptz – konnten erst ein Jahrhundert später erscheinen. Bis dahin sah das geneigte Publikum "Meister Floh" mit allen seinen abenteuerlichen Figuren und Wendungen eben als - Märchen.
Die Reihe words&music/audiolab verbindet ausgewählte literarische Texte aus aller Welt mit emotionaler Musik. Es entstehen - vielleicht bisher ungeahnte - Zugänge zum Textverständnis oder eröffnen im Zusammenspiel zwischen Inhalt, Klang und Form ganz neue Möglichkeiten des eigenen genussvollen Hörerlebens.
Covergestaltung: Unter Verwendung eines Selfies von Peter Bieringer. Coverschrift gesetzt aus der wicked mouse. Schlussmusik: Prokofiev, Visions fugitives op.22, Feroce (Nr. 14).
Ăśber den Sprecher:
Peter Bieringer (*1957) gehörte viele Jahre zum Ensemble der NDR-Sprecher, seit 2006 ist er freischaffend. Seine Stimme ist präsent in zahllosen Radiofeatures, TV-Dokumentationen, Synchronrollen und Hörspielen. In seinem eigenen Studio entstanden bisher Dutzende Hörbuchtitel, darunter "Heeresbericht", "Ich kann nicht vergeben", "Luther lesen", "Wie man ein Kind lieben soll", "Jetzt ist unser Gesang der Jazz", "Die Frau ohne Schatten", "Acht Tage im Mai", "Gefallene Ritter", und zuletzt auch für die hoerbuchedition words and music: "Die Lebensansichten des Katers Murr" und "Die Fermate" von E. T. A. Hoffmann.