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Nachtschatten im Revier

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Das Gehirn warnte Mettermann sen. im Halbschlaf vor einer unheimlichen Bedrohung im Revier. Wurde er schleichend senil? Mehrmals schĂŒttelte er das weißhaarige Haupt, um das Unwohlsein loszuwerden.

Als er seiner Frau am Kaffeetisch von seinen Ängsten erzĂ€hlte, schlug sie theatralisch die HĂ€nde ĂŒber den Kopf zusammen. Um ihn nicht zu krĂ€nken, schaltete sie auf FĂŒrsorge und VerstĂ€ndnis. Als Kind erlebte er die Auswirkung der Bombenkriegsjahre. Nach der Hitlerzeit arbeitete er als Bergmann 35 Jahre ĂŒber und unter Tage. Da bleiben Ängste bis zum Lebensende.

EinfĂŒhlend, als sprĂ€che sie mit einem Kind, murmelte sie: »Alles wird gut! »Sie goss aus der Thermoskanne eine Tasse Kaffee nach und meinte: »Um endlich NestwĂ€rme zu spĂŒren, heirateten wir Kriegskinder, die ohne VĂ€ter aufwuchsen, vor der VolljĂ€hrigkeit von 21 Jahren. In der Regel ehelichten wir junge Dinger, wie mein Großvater uns heranwachsende MĂ€dchen nannte, einen Jungen aus der Zechensiedlung, der im PĂŒtt arbeitete.

Am Morgen nach seinem Horrortraum suchte Mettermann sen. den Emscherfluss in Altenessen auf. An der Stelle wollte er erkunden, ob dort eine zerfetzte Leiche lag, die ihn im Traum abstoßend verschreckte.

Um endlich seine Anspannung abzubauen, befuhr der Rentner die Radwege der begrĂŒnten Berghalde in Gladbeck Brauck. Am Wegesrand kĂ€mpften Brennnessel, Holunder- und BrombeerstrĂ€ucher, die Immobilienhaie der Natur, um die Herrschaft.

Beim Radeln auf der Altenessener Straße bis zur EmscherbrĂŒcke, wurde es ihm unheimlich zumute. Der Herzschlag vibrierte unregelmĂ€ĂŸig. Seine SchweißdrĂŒsen durchnĂ€ssten sein T-Shirt auf der Brust. Seine flatternde Angst zwang ihn, vom Fahrrad abzusteigen, um durchzuatmen. Bis die Herzattacke verschwand, umklammerte er den Stamm einer jungen Birke.

Oben auf den begrĂŒnten, eingezĂ€unten Deichen, beobachtete er in dreihundert Meter Entfernung den Pulk von KrĂ€hen und Elstern.

Verkrampft zwang er sich, sein GefĂ€hrt weiter zu schieben. Vom FrĂŒhjahr bis zum Herbst raschelten die spargelförmigen BlĂ€tter der Pappeln, stĂ€ndig das Lied vom Tod. In Trance ging der Rentner, trotz seiner steigenden HerzschlĂ€ge zu den allesfressenden Vögeln. Beim NĂ€herkommen sah er, dass die Tiere ihre blutigen SchnĂ€bel in eine skelettierte Gestalt hackten und FleischstĂŒcke herausrissen.

Aus Furcht vor einer neuen Herzattacke massierte der Radler mit seiner rechten Hand, seine linke Brustseite. Instinktiv griff er erneut zum Nitrospray.

Am liebsten wÀre er davongeschlichen.