Industrieschnee markiert die Grenzen des Orts, eine feine Säure liegt in der Luft, und hinter der WerksbrĂźcke rauschen die Fertigungshallen, wo der Vater tagein, tagaus Aluminiumbleche beizt. Hier ist die Ich-Erzählerin aufgewachsen, hierher kommt sie zurĂźck, als ihre Kindheitsfreunde heiraten. Und während sie die alten Wege geht, erinnert sie sich: an den Vater und den erblindeten GroĂvater, die kaum sprachen, die keine Veränderungen wollten und nichts wegwerfen konnten, bis nicht nur der Hausrat, sondern auch die verdrängten Erinnerungen hervorquollen. An die Mutter, deren Freiheitsdrang in der Enge einer westdeutschen Arbeiterwohnung erstickte, bis sie in einem kurzen Aufbegehren die Koffer packte und die Tochter beim trinkenden Vater lieĂ. An den frĂźhen Schulabbruch und die Anstrengung, im zweiten Anlauf Versäumtes nachzuholen, an die Scham und die Angst â zuerst davor, nicht zu bestehen, dann davor, als Aufsteigerin auf ihren Platz zurĂźckverwiesen zu werden.
Wahrhaftig und einfßhlsam erkundet Deniz Ohde in ihrem Debßtroman die feinen Unterschiede in unserer Gesellschaft. Satz fßr Satz spßrt sie den Sollbruchstellen im Leben der Erzählerin nach, den Zuschreibungen und Erwartungen an sie als Arbeiterkind, der Kluft zwischen Bildungsversprechen und erfahrener Ungleichheit, der verinnerlichten Abwertung und dem Versuch, sich davon zu befreien.