Moin. Mein Name ist Ubbo Bremshey, Kriminalhauptkommissar, Leiter der Mordkommission Emden. Wenn Sie Ostfriesland kennen, wissen Sie, dass wir hier nicht viele Morde haben – und wenn doch, dann sind sie meistens so eigenwillig wie die Leute selbst. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich mir wünschte, ich hätte mich um einen Fahrraddiebstahl oder einen Streit am Hafen kümmern dürfen. Aber das Schicksal – oder besser gesagt, ein anonymer Anrufer – hat anderes für mich vorgesehen.
Es war ein typischer Emder Morgen: Nebel hing über den Kanälen, die Möwen kreischten, als hätten sie den Weltuntergang verschlafen, und der Wind trieb den Geruch von Salzwasser und Schlick durch die Straßen. Ich saß gerade in meinem Büro im Behördenviertel, die erste Tasse Tee des Tages in der Hand, als mein Kollege Frerich Bolten mit einer Miene hereinstürmte, als hätte er im Hafen einen Walross gesehen.
„Ubbo, dat mutt du dir ansehn“, sagte er, ohne die Tür richtig zu schließen. „Ein Toter in Wybelsum. Und nicht irgendeiner. Der Oltmanns Hinnerk.“
Ich stellte meine Tasse ab. Hinnerk Oltmanns war ein echtes ostfriesisches Original. Ein Mann, der mehr Zeit im Hafen verbracht hatte als die meisten Schiffe, der mit jedem Moin einen halben Roman erzählen konnte und der in der Krummhörn ebenso bekannt war wie der Wind. Wenn so einer tot ist – und dann noch erwürgt, wie Frerich gleich nachschob – dann ist das mehr als ein Verbrechen. Das ist ein Erdbeben auf Marschboden.
