"Kriegsgefangen" ist ein faszinierendes autobiographisches Werk von Theodor Fontane, in dem er seine Erlebnisse als Kriegsberichterstatter im Deutsch-Französischen Krieg schildert. Im September 1870 brach Fontane auf und reiste durch verschiedene Städte wie Weißenburg, Wörth und Nancy, bis er am 5. Oktober 1870 in Domrémy-la-Pucelle, dem Geburtsort von Jeanne d'Arc, gefangen genommen wurde. Bei seiner Festnahme wurden ein Dolch, eine Pistole und Legitimationspapiere für preußische Militärdienststellen sowie eine unbefugt getragene Rotkreuzbinde bei ihm gefunden. Als vermeintlicher preußischer Spion wurde er von einer aufgebrachten Bevölkerung von einem Festungsort zum nächsten gebracht, bis er schließlich auf der Atlantikinsel Oléron landete.
Fontane überlebte die zweimonatige Kriegsgefangenschaft dank zahlreicher Rettungsinitiativen, an denen über 50 Personen beteiligt waren. Dazu gehörten Freunde wie Moritz Lazarus und Bernhard von Lepel, der Schweizer Bundespräsident Jakob Dubs sowie der französische Justizminister Adolphe Crémieux. Die Rettung erfolgte in mehreren Schritten: Fontane wurde zunächst vom Vorwurf der Spionage freigesprochen, jedoch nicht aus der Haft entlassen. Dank der Intervention des Erzbischofs von Besançon, Kardinal Césaire Mathieu, erhielt er den Status eines officier supérieur. Schließlich handelten preußische Regierungsvertreter und der US-amerikanische Botschafter in Paris, Elihu Benjamin Washburne, die Freilassungsmodalitäten mit dem französischen Kriegsminister Léon Gambetta aus.
In seinem Werk schildert Fontane die französischen Nachbarn mit großer Sympathie und betont die Menschlichkeit und Fairness, mit der er und andere deutsche Kriegsgefangene behandelt wurden. Er hebt die absolute Korrektheit der französischen Behörden hervor, die die Gefangenen vor Übergriffen des aufgehetzten Straßenpöbels schützten. Kritisch beschreibt er jedoch die anfangs mangelnde Versorgung der bei Orléans gefangen genommenen kranken Soldaten, bis der Festungskommandant deren Verlegung in Lazarette durchsetzte.
Fontane zitiert auch die Berichte anderer deutscher Soldaten über ihre Gefechte und Gefangennahme. Wie in seinen anderen Werken des Realismus besticht er durch detailreiche Beschreibungen der Örtlichkeiten und einen psychologischen Scharfblick, der die Charaktere mit humorvoller Anteilnahme lebendig werden lässt.
"Kriegsgefangen" ist ein eindrucksvolles Dokument der Zeitgeschichte, das die Schrecken des Krieges und die Menschlichkeit inmitten von Feindseligkeiten eindrucksvoll beschreibt. Fontanes Erzählkunst und sein feiner Humor machen dieses Werk zu einer fesselnden Lektüre, die den Leser tief berührt und zum Nachdenken anregt.