"Wie sie kommt", "wie sie geht"", "wie sie wiederkommt": die Geliebte, die Liebe. So beginnt Jürg Amann sein langes Gedicht, um sich dann in kurzen Abschnitten langsam vorwärtszutasten: das erste Du, ihr Gesicht im Wachen und im Schlaf, ihre Haut, ihr Atem, ihre Umarmung. Der ganze Fundus der Liebesworte wird gesichtet, Stück für Stück behutsam hervorgeholt, wobei durch inflationären Gebrauch abgenutzte, zum Klischee erstarrte Worte wieder ernst genommen werden und so neue, ungewohnte Intensität gewinnen. Formal ganz schlicht und dadurch umso nachdrücklicher lehnen sich die Verse im Tonfall an das Hohe Lied an, feiern die Liebe als Fest der Sinne und der Seele, als Wunder.
Dennoch wird auch Skepsis ausgedrückt; schon in den ersten Zeilen deutet Amann die Möglichkeit des Verlusts an, der in der letzten Zeile, plötzlich und erschreckend, Wirklichkeit wird. Die Erfahrung vom Ende der Liebe kann nicht ausgespart bleiben, ebenso wenig die Gefährdung der Liebe in einer gefährdeten Welt. Doch gerade die Vergänglichkeit und Bedrohtheit, die es in Frage stellen, machen das Sprechen über Liebe zum Postulat.