"Was fehlt Ihnen?" bleibt auch im Zeitalter von Gesundheits-Apps die zentrale Frage im medizinischen Behandlungsalltag. Sie bestimmt nicht nur jede therapeutische Beziehung, sondern sie bezieht sich auf das, was kranke Menschen, aber auch engagierte medizinische Helfer in diesem Behandlungsalltag vermissen. Was soll sich ändern? Es erscheint paradox: Noch nie war das deutsche Gesundheitswesen so leistungsfähig und noch nie war die Kritik an der erlebten medizinischen Praxis so groß.
Für eine ärztliche Diagnose ist es unerlässlich, die jetzigen Beschwerden und deren Vorgeschichte zu erfragen. Analog erklärt dieses Buch die komplexen gegenwärtigen Strukturen des Gesundheitswesens und seine Defizite vor seinem geschichtlichen Hintergrund mit all seinen Brüchen und Umbrüchen. Das Buch beginnt somit mit einem Rückblick auf 1400 Jahre europäische Medizingeschichte, der die komplexen Strukturen unseres heutigen Gesundheitswesens und auch aktuelle kontroverse gesundheitspolitische Positionen verstehen lässt. Breiter ausgeführt wird dabei, wie eine nicht mehr am Wohl des einzelnen Menschen ausgerichtete Medizinethik zu einer mörderischen Medizin führen konnte und kann. Weitere Themen sind die Regulation des Arzneimittelmarktes, Lobbyismus in der Medizin und ein ökonomischer Paradigmenwechsel, der das Gesundheitswesen mit Falschmeldungen einer "Kostenexplosion" in eine nicht mehr primär am Patientenwohl ausgerichtete Gesundheitswirtschaft transformiert hat.
Das Buch bleibt nicht bei einer Analyse stecken. Entgegengestellt werden Ergebnisse der Placebo- und Kommunikationsforschung sowie moderne Konzepte von Salutogenese und Ganzheitlichkeit, die sich von inflationären Ganzheitlichkeitsfloskeln unterscheiden. Mit diesen Erkenntnissen fordert der Autor, aufbauend auf seiner jahrzehntelangen ärztlichen Praxis, eine mitmenschliche Medizin ein. Es geht um eine selbstkritische, wissenschaftlich orientierte Medizin für einen Behandlungsalltag, in dem kranke Menschen kompetente Hilfe und Wertschätzung erfahren und in dem gleichzeitig engagierte Krankenschwestern und Krankenpfleger, Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen und andere medizinische Helfer für ihre Tätigkeit brennen können, ohne auszubrennen.