Aus dem Inhalt:
An die dortigen Professoren dachte er besonders, als er 1818 zum Kanzler v. MĂŒller und zur Julie v. Egloffstein sagte: "Sehet, liebe Kinder, was wĂ€re ich denn, wenn ich nicht immer mit klugen Leuten umgegangen wĂ€re und von ihnen gelernt hĂ€tte? Nicht aus BĂŒchern, sondern durch lebendigen Ideenaustausch, durch heitere Geselligkeit mĂŒĂt ihr lernen."
Er selber lernte freilich auch aus BĂŒchern, und will hier im Ernste nichts gegen BĂŒcher sagen; nur zog er eigene Anschauung und mĂŒndliches Ausfragen vor.
"Es entwickelt und nötigt zur Aufmerksamkeit, und das ist ja doch das Höchste aller Fertigkeiten und Tugenden."
Diese Sachlichkeit war Goethes bestĂ€ndiger Vorsatz, und seine GröĂe als Mensch rĂŒhrt namentlich von seinem tĂ€glichen Bestreben her: alle Dinge und alle Personen ohne Leidenschaft und Vorurteil zu betrachten, sich selbst zu vergessen, alles Neue ruhig auf sich einwirken zu lassen. Das hielt er auch als Reisender so.
Und wenn man seine GenialitĂ€t rĂŒhmte, fĂŒhrte er sie wohl hierauf zurĂŒck. "Ich lasse die GegenstĂ€nde ruhig auf mich einwirken, beobachte dann diese Wirkung und bemĂŒhe mich, sie treu und unverfĂ€lscht wiederzugeben. Dies ist das ganze Geheimnis, was man GenialitĂ€t zu nennen beliebt."
Goethe wuĂte freilich, daĂ die Natur sich ihre letzten Geheimnisse nicht abzwingen lĂ€Ăt, aber dann und wann gelingt es uns, den Schöpfergedanken nĂ€her zu kommen. Und eben das war sein Streben bei aller gelehrten Arbeit. Andere wieder verlieren sich, um zu groĂen Wahrheiten zu gelangen, in metaphysischen Phantasien, im Aufbauen kĂŒhner Systeme oder in okkultistischen TrĂ€umereien. Dazu war er wieder zu sehr Naturforscher: Erfahrung, Beobachtung, Experiment sollten ihm zur Erkenntnis verhelfen.
Man brauche nicht die Natur gesondert und vereinzelt vorzunehmen, sondern könne sie wirkend und lebendig, aus dem Ganzen in die Teile strebend, darstellen.
Erstveröffentlichung: 1900, Autor: Dr. Wilhelm Bode
2. E-Book-Auflage 2018
Umfang: ca. 190 Buchseiten, 13 Kapitel