In Knut Hamsuns fesselndem Roman in Übersetzung von J. Sandmeier, aus der Perspektive eines Ich-Erzählers, erleben wir hautnah den physischen und psychischen Niedergang eines jungen, erfolglosen Schriftstellers und Journalisten in Kristiania, dem heutigen Oslo. Der Protagonist lebt am Rande der Gesellschaft, wo er sich mühsam über Wasser hält, indem er gelegentlich Artikel an Zeitungen verkauft. Doch diese Einnahmen sind selten genug, um Nahrung und Unterkunft zu sichern. So streift er oft hungrig und obdachlos durch die Straßen.
Der Roman beginnt mit einem namenlosen Erzähler, der ziellos durch Kristiania wandert. In einer selbstlosen Geste verpfändet er seine Weste, um einem Armen Geld zu geben, obwohl er selbst in Not ist. Diese Episode zeichnet die prekäre und widersprüchliche Existenz des Protagonisten. Kurz darauf verfolgt er eine Frau, der er den Fantasienamen "Ylajali" gibt, und ihre Begleiterin. Das Aufeinandertreffen mit verschiedenen Charakteren und das Erzählen absurder Lügengeschichten über seinen angeblichen Vermieter "Hippolati" betonen seine verzweifelte und verwirrte geistige Verfassung.
Euphorisiert durch das Verfassen eines Textes, den er als sein Meisterwerk betrachtet, kündigt er impulsiv sein Zimmer und reicht den Text bei einer Zeitung ein. Doch bald kehrt die harte Realität zurück, als er feststellen muss, dass ein Flüchtigkeitsfehler in seiner Bewerbung ihm eine Jobchance gekostet hat. Hoffnung keimt auf, als sein Text angenommen wird und er 10 Kronen dafür erhält. Doch diese kleine Erleichterung ist nur von kurzer Dauer.
Als ihm wieder das Geld ausgeht und er tagelang nichts zu essen hat, verschlimmert sich seine Situation. Vom Hunger physisch und psychisch gezeichnet, durchstreift er die Stadt, bettelt erfolglos um Geld und verpfändet schließlich seine letzten Habseligkeiten. Eine Begegnung mit einem schockierten Bekannten bringt ihm kurzfristig etwas Geld.
Der Erzähler trifft erneut auf "Ylajali", wobei er verzweifelt versucht, seinen elenden Zustand vor ihr zu verbergen. Ihre zarte Beziehung bringt ihm kurze Momente der Freude, doch letztendlich kann er die Wahrheit über seine Lage nicht länger verbergen, was ihn weiter in die Isolation treibt.
Der Winter bringt zusätzliche Härten, und der Erzähler findet sich erneut ohne Unterkunft und Einkommen wieder. Nach einer demütigenden Auseinandersetzung mit seiner Wirtin erhält er einen unerwarteten Brief mit Geld, das ihn jedoch nicht retten kann. Resigniert und ohne Perspektive heuert er auf einem Schiff nach Leeds an – in einer ironischen Wendung eine Stadt ohne Hafen.
Hamsuns "Hunger" ist eine eindringliche Erzählung über den schmerzhaften Kampf ums Überleben, die Zerbrechlichkeit des menschlichen Geistes und die verzweifelten Versuche eines Künstlers, in einer feindseligen Welt Fuß zu fassen. Das Buch fesselt mit seiner intensiven Darstellung und den tiefen psychologischen Einsichten, die den Leser bis zur letzten Seite in den Bann ziehen.