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Satyrgeschichten

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Fast jeder kennt Kaiser Nero und dessen VerrĂŒcktheiten. Weniger Leute kennen einem gewissen Titus Petronius Arbiter, der zu dessen einflussreichsten Beratern gehörte – in Fragen des guten Geschmacks. Von diesem Petronius, der die KĂŒnste schĂ€tzte und als Dichter die damals um sich greifende unersĂ€ttliche, parasitĂ€re Besitzgier neureicher Emporkömmlinge verabscheute und heftig kritisierte, ist nur ein Bruchteil seiner Werke ĂŒberhaupt erhalten.

Als die Pforte zwischen Antike und Mittelalter offenstand und der Wind der Zeiten hindurchblies, wurden die BlĂ€tter dieses Werkes nicht nur durcheinandergewirbelt, sondern auch zu einem wohl nicht unbetrĂ€chtlichen Teil davongetragen. Was wir heute davon besitzen, sind grĂ¶ĂŸere und kleinere BruchstĂŒcke, mitunter nur winzige Splitter. Immerhin aber haben sich einige Kostproben wie die vorliegenden „Satyrgeschichten“ erhalten.

Einer besonderen Aufmerksamkeit empfohlen sei der Essay „Petronius oder ein Streit ĂŒber Geschmacksfragen“, in dem Ebersbach von den Qualen des kaiserlichen Beraters berichtet, der ein selbstbestimmt-fremdbestimmtes Ende findet, in dem er sich die Adern öffnet – aus Furcht vor der drohenden Hinrichtung:

Nero zeigte sich anfangs erfreulich gelehrig. Mit dieser demonstrativ guten Erziehung fĂŒhrte ihm Agrippina beizeiten die Gunst sowohl der plebejischen als auch der patrizichen Römer zu. FĂŒr seinen Regierungsantritt weckte sie Hoffnungen, denen selbst betagte Skeptiker nicht widerstehen konnten. Die Eintracht der StĂ€nde schien gesichert. Nun sollte die neue, von Augustus geschaffene Herrschaftsform, die seit einem dreiviertel Jahrhundert gegen das tiefverwurzelte Misstrauen der Römer anzukĂ€mpfen hatte, aber auch nicht wieder abgeschafft werden konnte, eine maßvoll prĂ€chtige BlĂŒte treiben, die sie fĂŒr alle Römer annehmbar machte und den kalten BĂŒrgerkrieg unter ihnen beendete.

Als Nero mit siebzehn Jahren Kaiser wurde, verwandelten sich seine Erzieher in Berater. Die ersten Maßnahmen, noch unter ihrer Anleitung getroffen, waren so besonnen und populĂ€r, dass ĂŒberschwĂ€ngliche GemĂŒter frohlockten, das neue Goldene Zeitalter, das unter Augustus ausgeblieben war, breche nun doch noch an. Besonders die KĂŒnstler fĂŒhlten sich auf einmal verstanden und sahen sich gefördert, denn Nero war den KĂŒnsten aufgeschlossen, suchte seine VergnĂŒgungen in kunstvoller AtmosphĂ€re, besaß selbst eine KĂŒnstlernatur. Und er war jung. Da ihm alle so zujubelten, behielt er die Gedichte, die er selbst machte, nicht lange fĂŒr sich.