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Wohin geht Frankreich?

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Die Artikel Leo Trotzkis ĂŒber Frankreich, die in diesem Band gesammelt sind, entstanden in den Jahren 1934 bis 1938. Es waren entscheidende Jahre fĂŒr das Schicksal Frankreichs und Europas.

Unter dem Druck der Großen Depression, die weltweit zu Massenarbeitslosigkeit, weitverbreiteter Armut und heftigen KlassenkĂ€mpfen fĂŒhrte, zerbrach die bĂŒrgerliche Demokratie. In einem europĂ€ischen Land nach dem anderen stĂŒtzte sich die Bourgeoisie auf den Faschismus, dessen historische Bedeutung laut Trotzki darin besteht, »die Arbeiterklasse niederzuwerfen, ihre Organisationen zu zerschlagen, die politische Freiheit zu erwĂŒrgen, und zwar dann, wenn die Kapitalisten nicht mehr imstande sind, mithilfe der demokratischen Mechanismen zu regieren und zu herrschen«.

In Italien war bereits 1922 Benito Mussolini an die Macht gelangt und hatte eine faschistische Diktatur errichtet, die als Vorbild fĂŒr viele andere dienen sollte. In Polen herrschten JĂłzef PiƂsudski und in Ungarn MiklĂłs Horthy mit autoritĂ€ren Methoden. In Deutschland hatte ReichsprĂ€sident von Hindenburg 1933 Adolf Hitler zum Kanzler ernannt.

In Frankreich – und auch in Spanien – war die Lage dagegen noch nicht entschieden. »ZurĂŒck zur friedlichen Demokratie gibt es schon keinen Weg mehr«, stellte Trotzki 1934 fest. »Die Entwicklung fĂŒhrt unabĂ€nderlich und unabwendbar zum Zusammenprall von Proletariat und Faschismus.« Die allgemeine Tendenz treibe Frankreich »unabweislich zu der Alternative: Entweder muss das Proletariat die durch und durch verfaulte bĂŒrgerliche Ordnung stĂŒrzen, oder der Kapitalismus muss im Interesse seiner Selbsterhaltung die Demokratie durch den Faschismus ersetzen.«

Eine siegreiche sozialistische Revolution in Frankreich oder Spanien war damals durchaus möglich. In Frankreich erschĂŒtterte 1936 ein mehrmonatiger Generalstreik die bĂŒrgerliche Herrschaft und rĂŒckte die Übernahme der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse in greifbare NĂ€he. In Spanien entwickelte sich der BĂŒrgerkrieg gegen Francos Faschisten zu einem Machtkampf zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie.

Ein Sieg der Arbeiterklasse in diesen LĂ€ndern hĂ€tte den Verlauf der Geschichte geĂ€ndert. Die Arbeiter Deutschlands, die Hitler ablehnten, hĂ€tten neuen Mut geschöpft, das Nazi-Regime wĂ€re ins Wanken geraten. Auch die Arbeiter der Sowjetunion wĂ€ren ermutigt worden, sich gegen Stalin aufzulehnen, der mit der katastrophalen Fehlorientierung der Kommunistischen Parteien und mit dem Großen Terror von 1937/1938, der die revolutionĂ€re Avantgarde in der Sowjetunion und die Rote Armee enthauptete, Hitlers Überfall auf die Sowjetunion erst möglich machte. Doch die Revolution scheiterte – nicht am Unvermögen der Arbeiterklasse, sondern am Versagen und Verrat ihrer Parteien.

Leo Trotzkis hier wiedergegebene Schriften bilden den SchlĂŒssel zum VerstĂ€ndnis der damaligen Ereignisse und der Lehren daraus, die heute – angesichts eskalierender Kriege, heftiger KlassenkĂ€mpfe und des Wiederauflebens faschistischer Parteien – von brennender AktualitĂ€t sind. Trotzki schrieb nicht als passiver Beobachter, sondern als revolutionĂ€rer Marxist. Er kĂ€mpfte gegen die Politik der Stalinisten, die die Arbeiterklasse lĂ€hmte und politisch entwaffnete, und entwickelte – in enger Zusammenarbeit mit seinen französischen Gesinnungsgenossen – Perspektiven und Initiativen, mit denen die Arbeiterklasse diese LĂ€hmung durchbrechen und die politische Macht erobern konnte.