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Familienfoto

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„Dann klickte der Auslöser.“ So lautet der letzte Satz dieses Buches, das erstmals 1982 als ein Gegenwartsroman erschienen war und inzwischen als ein Vergangenheitsroman gelesen werden kann. Als ein Roman mit DDR-Vergangenheit.

Im Mittelpunkt des Buches stehen Paul Weidauer und seine Frau, die ein zweites Mal heiraten wollen:

„Ich hab’s mir ĂŒberlegt, Traude“, sagte er, „wir feiern im großen Stil.“

Er war plötzlich der Ansicht, so ein Ereignis muss fĂŒr ewig in Erinnerung bleiben. Entweder man feiert eine Silberhochzeit unter vier Augen, was keine Hochzeit ist, oder man lĂ€dt Tod und Teufel dazu ein, also die Verwandtschaft. Seine Frau konnte sehr schöne große Augen machen, dunkelbraune. Immer dachte Paul dabei an eine neue Rehart, die einen auch anspringen kann, und das gefiel ihm. Seine Frau war fĂŒnfundvierzig und die Dachdecker pfiffen ihr von den DĂ€chern hinterher, na ja, die Dachdecker hoch da droben, doch immerhin!

Diese springenden Rehaugen also guckten ihn an, voller Freude und Schreck. „Hast du das richtig ĂŒberlegt, Paulus?“, fragte sie.

Und er erwiderte ohne Wimpernzucken: „NatĂŒrlich.“

Die beiden, die da wieder Braut und BrĂ€utigam werden möchten, die haben allerdings auch einen Sohn – Matthias. Und der stellt ihnen eine ebenso einfache wie spannende Frage:

„Was ist ’n mit euch?“, wollte er wissen.

„Wir heiraten“, warf Paul ziemlich nebenbei hin, „Silberhochzeit. Nach fĂŒnfundzwanzig Jahren ist das Sitte.“

„Mann!“, staunte Matthias, „und nur mich erschaffen! Was habt ihr denn die ĂŒbrige Zeit gemacht?“

Ja, was haben Paul und sein Reh in den vergangenen fĂŒnfundzwanzig Jahren eigentlich gemacht? Spannende AuskĂŒnfte dazu gibt dieser Gegenwarts-Vergangenheitsroman aus einer kleinen Stadt in der großen DDR vom Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Das ist ziemlich weit weg, aber auf andere Weise auch ganz schon nah – zumindest je lĂ€nger man sich in diese Familien- und Gesellschaftsgeschichte aus einer kleinen Stadt in der großen DDR hineinliest. Wer wissen möchte, wie es damals zuging, der findet hier Antworten. Und schon damals hat einer Angst, eine Festrede zu halten.

Dann findet sie tatsĂ€chlich statt, diese Silberhochzeit – in einer tollen AtmosphĂ€re und mit fast allen geladenen GĂ€sten. Und hĂ€lt Paul seine Rede, die mit Guten Appetit endet. Schließlich kommt einer der GĂ€ste auf die geniale Idee, das Familienfoto vor damals haargenau zu wiederholen – auch wenn das Sofa nicht mehr dasselbe war. Aber die Leute waren dieselben.