Nicht Gesten, sondern Gestisches als Vorgang und Prozess, als Disposition und Haltung steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen dieses interdisziplinär angelegten Bands. Damit verschiebt sich die Frage nach der Bedeutung von Gesten auf Fragen der Wahrnehmung, Erforschung und Beschreibbarkeit von Gestischem in unterschiedlichen Kontexten. Die Autor*innen stoßen auf diese Weise inhaltlich wie formal in höchst aktuelle und zudem gesellschaftlich, philosophisch und wissenspolitisch relevante Themenfelder vor.
Die Beiträge aus verschiedenen Künsten und Wissenschaften fokussieren das Gestische als spezifische Perspektive des Forschens. Sie lenken den Blick auf Bereiche, in denen gestische Phänomene bisher noch wenig untersucht oder auch kaum vermutet wurden. In jeweils fachbezogener Weise spüren die Autor*innen Gestischem als einem leibbasierten Modus nach, in dem spezifische Erfahrungen gemacht, Handlungen ermöglicht und Wissenserträge gewonnen werden können. Zugleich machen sie es sich zur Aufgabe, solche Annäherungen in künstlerischer wie wissenschaftlicher Praxis entsprechend zu reflektieren und zu formulieren.
So thematisieren sie Gestisches unter anderem als Movens in der Architektur, als Suchbewegung in performativen Konstellationen, als formales Element von Sprache und Dichtung, als Duktus des Zeichnens, als Figur des Denkens oder als prägende Praxis in Dokumentation und Aufzeichnung. Neben der Untersuchung solcher Gegenstände befassen sich die hier versammelten Autor*innen vor allem auch mit den grundlegenden Konditionen und gestischen Implikationen der forschenden Praxis selbst. Dabei treffen sie nicht zuletzt auf die Frage nach der Forschungshaltung, wie sie sich etwa in der Gestaltung der Beziehung zu den Forschungsgegenständen und den an einem Forschungsprojekt Beteiligten ausprägt.