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In deiner Kammer

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"Du hast mich gerufen 
 nun bin ich bei dir! Als du das Buch aufschlugst, kam ich zu dir. Ich bin in deiner Kammer. Denn jetzt willst du lesen. Und ein Lesender ist immer in einer schlichten Kammer, in der nichts da ist als ein Paar Augen, eine Seele und ein Buch." Der Band enthĂ€lt eine Auswahl von sechzehn teils heiteren, teils besinnlichen bis traurigen Geschichten des Erfolgsautors Paul Keller, unter anderem: "Das alte Heim", "Die Eisenbahn", "Seeschwalben", "Tiergeschichten", "Das Köstlichste", "Begegnung", "Die Weide", "Der Starkasten", "Ansichtspostkarten", "Nebeltag", "In absentia" und "Juninacht". "Das alte Heim" etwa berichtet von der RĂŒckkehr in die nach Jahren wieder zur Vermietung freigegebene alte Wohnung, wo Herr Berthold einst mit seiner ersten Frau so glĂŒcklich war, bevor sie in ebenjener Wohnung verstarb. Dergestalt mit der heilen Vergangenheit und der LĂŒge seines jetzigen Lebens konfrontiert, fasst Berthold einen entschlossenen Plan, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu versöhnen 
 "In absentia" dagegen schildert höchst vergnĂŒglich eine eigenartige Verlöbnisfeier: Da Kantor Ehrenfried Becker sich weigert, zur Verlobung seines Sohnes zu reisen, da er an Weihnachten in der Kirche Orgel spielen muss, schickt ihm der Sohn bedauernd eine Flasche Champagner, damit der Vater wenigstens "in absentia" ein wenig zu feiern vermag. Aus der ein wenig an "Dinner for One" erinnernden Solo-Feier des Kantors mit fĂŒnf gefĂŒllten GlĂ€sern entwickelt sich, sobald als reale Person auch noch der Steinhuber Karl vorbeischaut, ein ordentliches Gelage; prompt wird auch noch die Tochter Liesel "in absentia" verlobt, und ob Ehrenfried Becker nach alledem noch Orgel zu spielen vermag, steht in den Sternen 
 Auch die vierzehn weiteren ErzĂ€hlungen bieten Ă€hnlich prickelnden Lesegenuss!

Paul Keller (1873–1932) wurde als Sohn eines Maurers und SchnittwarenhĂ€ndlers geboren. Zwischen 1887 und 1890 besuchte er die PrĂ€parandenanstalt in Bad Landeck und anschließend von 1890 bis 1893 das Lehrerseminar in Breslau. Nachdem er acht Monate als Lehrer im niederschlesischen Jauer tĂ€tig war, wechselte er 1894 als Hilfslehrer an die PrĂ€parandenanstalt in Schweidnitz. Zwischen 1896 und 1908 war er Volksschullehrer in Breslau. Keller grĂŒndete die Zeitschrift "Die Bergstadt" (1912–1931) und schrieb schlesische Heimatromane sowie "Das letzte MĂ€rchen", eine Geschichte, in der ein Journalist in ein unterirdisches MĂ€rchenreich eingeladen wird, um dort eine Zeitung aufzubauen, und dabei in Intrigen innerhalb des Königshauses hineingerĂ€t. Die Namen wie "König Heredidasufoturu LXXV.", "Stimpekrex", "Doktor Nein" (der OppositionsfĂŒhrer) haben wahrscheinlich Michael Ende zu seinem Roman "Die unendliche Geschichte" angeregt. Zusammen mit dem schlesischen Lyriker und ErzĂ€hler Paul Barsch unternahm Keller zwischen 1903 und 1927 zahlreiche Reisen durch Europa und Nordafrika. Zudem fĂŒhrten ihn etliche Lese- und Vortragstourneen durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Tschechoslowakei. Er war 1910 Mitglied der Jury eines Preisausschreibens des Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck fĂŒr Sammelbilder des Stollwerck-Sammelalbums Nr. 12 "Humor in Bild und Wort". Keller starb am 20. August 1932 in Breslau und wurde auf dem dortigen Laurentiusfriedhof bestattet. – Paul Keller gehörte zu den meistgelesenen Autoren in der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts, was sich in einer 1931 bei fĂŒnf Millionen liegenden Gesamtauflage seiner BĂŒcher widerspiegelt, und wurde in 17 Sprachen ĂŒbersetzt. Schriftsteller wie der alte Wilhelm Raabe oder Peter Rosegger schĂ€tzten den Autor sehr. Gerade die frĂŒheren Werke wie "Waldwinter", "Ferien vom Ich" oder "Der Sohn der Hagar" zeichnen sich durch kĂŒnstlerische Kraft und Meisterschaft aus. Seinen Roman "Die Heimat" (1903) nannte Felix Dahn "echte Heimatkunst". Seine bekanntesten Werke wurden zum Teil auch verfilmt.