Ilse Helbichs Bilder und Geschichten aus einer versunkenen Welt: das seltene Glück der in der Erinnerung aufgehobenen Vergangenheit.
Bartbinden, Spucknäpfe in den Wartezimmern, Beethoven-Büsten aus Gips, der wöchentlich ins Haus liefernde Eismann, der Laternenanzünder: Ilse Helbich, 1923 in Wien geboren, erinnert sich an Gegenstände, Berufe und gesellschaftliche Verkehrsformen, die längst untergegangen sind. Nicht nur die verhassten Sonntagsspaziergänge im Kreis der ganzen Familie, auch die heimlichen Ausflüge in die unheimlichen Terrains der Barackensiedlungen und anderer sozial fremder Umgebungen nehmen in diesem Panorama Gestalt an. Ohne Nostalgie, ohne Verharmlosung formen diese Erinnerungen nach und nach ein umfassendes Bild einer Wiener Kindheit, einer Mädchen-Kindheit, wachsen sich zu einem großbürgerlichen Familienbild aus und öffnen sich, mit den 30er Jahren, allmählich den politischen Schrecken des Nationalsozialismus.
So wie man die Häuser des versunkenen Vineta nur bei ganz ruhiger, klarer See erblicken kann, so ist auch große Ruhe und Klarheit des Geistes Voraussetzung für derart präzise, plastische und intensive Bilder. Ilse Helbichs Empathie, ihr distanziert anteilnehmender Blick auf das Mädchen, das sie einmal war, bedeuten einen großen Gewinn für jeden Leser – und ihre Kunstfertigkeit im Umgang mit den hellen und dunklen Farben ihrer Geschichten ist ungetrübtes Leseglück.