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Der gute Mond

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Der gute Mond - Marie von Ebner-Eschenbach - Vor vierzehn Tagen haben wir ihn zur letzten RuhestĂ€tte begleitet: Herr Franz von Meyer, Herr Joseph von MĂŒller und ich, Johann Ritter von Schmidt.Ja, er ist tot, der gute Mond; nun gibt es keinen Königrufer mehr, und sind wir reduziert auf einen Tapper. Einen andern Stammgast des »Blauen Raben« einzuladen, den leer gewordenen Stuhl des Freundes zu besetzen ist uns nicht eingefallen, so viele PrĂ€tendenten sich derohalber auch direkt und indirekt bei uns gemeldet und so anstĂ€ndige Leute es auch waren, an denen unser StĂ€dtchen ĂŒberhaupt, zu seiner Ehre sei es gesagt, keinen Mangel leidet. Der Platz, den der gute Mond durch neunzehn Jahre allabendlich drei Stunden lang eingenommen hat, ist infolge des hohen Alters seines Inhabers und des Ratschlusses der ewigen Vorsehung leer geworden und soll denn leer bleiben. Was die Erinnerung an den Verblichenen betrifft, so wird sie uns niemals entschwinden, und werden wir die Geschichte, die er am liebsten erzĂ€hlte, niemals vergessen. Aber derweil sie noch frisch in uns lebt und seine Ausdrucksweise uns auch noch ganz gelĂ€ufig ist, habe ich, der ich mich des besten GedĂ€chtnisses erfreue und auch ziemlich gut in der Feder bin, es unternommen, dieselbe aufzuschreiben. Bin mir dabei wohl bewußt, daß die Hauptursache des Eindrucks, den die Geschichte auf uns machte, in dem Mangel an Übereinstimmung lag zwischen dem, was der ErzĂ€hler von sich selbst, und dem, was seine ErzĂ€hlung von ihm aussagte.Kaum wird es, soweit die Erde rund ist, einen Mann geben, der sich in einer Lage wie diejenige, in welche er versetzt wurde, mit Ă€hnlicher Selbstbeherrschung und Zartheit benommen hĂ€tte. Daß er trotzdem immer auf sein derbes und brĂŒskes Wesen zurĂŒckkam und es ihm nie einfiel, daß er auch anders hĂ€tte handeln können, als er gehandelt hat, das eben war es, was uns jenen oben angezogenen, seltsamen und rĂŒhrenden Eindruck machte.Ob dies beim Lesen in gleichem Maße der Fall sein wird, muß ich dahingestellt sein lassen; genug, daß ich mich der grĂ¶ĂŸten Treue in der Wiedergabe der Worte unseres Freundes befleißige.