In dem Roman "Der Stiefsohn" wird Schritt um Schritt das Innere eines EinzelgĂ€ngers nach auĂen gekehrt, es ist der wohl autobiographischste des Autors, eine Art SelbstentblöĂung. Jean-NoĂ«l, schon der Klang dieses Vornamens erinnert an Emmanuel, Jean-NoĂ«l Ćtlinger ist der Stiefsohn, von dem man nach und nach â wie von einem verborgenen Beobachter beschrieben â immer mehr erfĂ€hrt. Im Zwiespalt zwischen pathologischer Idealisierung der Stiefmutter und befremdlicher Distanz zur leiblichen Mutter, bis hin zur Verleugnung, zeigt sich der Held des Romans, der dem Leser ĂŒber eine entscheidende Lebensspanne von fast dreiĂig Jahren begegnet, als bindungssĂŒchtig und zugleich bindungsunfĂ€hig. StĂ€ndig bemĂŒht, mehr zu scheinen als zu sein, stĂ€ndig bemĂŒht, einer Welt zugeordnet zu sein, zu der er eigentlich nicht gehört, stĂ€ndig begierig, den moralischen und geistigen Anforderungen der Stiefmutter Annie zu genĂŒgen, entfaltet sich der entscheidende Lebensabschnitt eines Mannes. der um seiner Eigenliebe, seiner Gefallsucht willen fast alles an menschlicher Bindung opfert, der eine hohe Kunst der Selbstverleugnung zelebriert. Immer tiefer wird man in den ganz eigenen Kosmos Bove'scher Unentrinnbarkeit gezogen, immer gebannter folgt man dem unsteten Leben zwischen groĂbĂŒrgerlichem Wohnambiente am Boulevard du Montparnasse und spieĂiger Vorstadtwelt, zwischen Pariser Hotelzimmern und Hinterhofambiente. Eindringlich entfalten sich Charaktere, offenbaren sich Seelenlandschaften. Der SchlĂŒsselroman eines groĂen europĂ€ischen Schriftstellers.
Zum Weiterlesen:
"Emmanuel Bove. Eine Biographie" von Raymond Cousse und Jean-Luc Bitton
ISBN 9783860347096