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Hausteins Marja

E-book


Hausteins Marja wird beschuldigt, ihr neu geborenes Kind getötet zu haben.

Marja ist eine Leibeigene; sie ist eine Sorbin in einem sorbischen Dorf, dessen Herrschaft, Amtsgewalt und Regierung deutsch sind; sie ist zu naiver, mit Aberglauben verwobener Frömmigkeit erzogen – und sie ist eine Frau in einer von MĂ€nnern beherrschten Welt. So trĂ€gt sie vierfache Fesseln.

Die Autorin nimmt uns mit auf Spurensuche: Was steht in den Akten, den KirchenbĂŒchern, den Zeitdokumenten? War diese Frau eine Mörderin? Wie ist es gewesen – wie könnte es gewesen sein?

Und wenn auch die Spuren wie Irrlichter sind, unstet und widersprĂŒchlich, wenn sich auch Marjas Spur schließlich am Horizont verliert: Es bleibt das Bild einer starken, tapferen Frau, die versucht hat, ihre Fesseln zu lösen.

LESEPROBE:

Er starrte ebenso erstaunt wie erschrocken auf dieses MĂ€dchen, das noch vor vier Jahren vor ihm auf der Schulbank gesessen hatte, ein schĂŒchternes, sehr mageres, hellblondes Kind, das in den sieben Jahren Schulzeit kaum ein Wort deutsch gelernt hatte, aber da war sie keine Ausnahme, und plötzlich bemerkte er ihren Bauch.

Du bist, du bist, stotterte er, sie lachte auf, schwanger sei sie, freilich, das bestreite sie nicht, er könne es ruhig der Herrschaft anzeigen, dann erspare er ihr einen Weg.

Aber die Peitsche nicht, rief er, die kann dir niemand ersparen.

Sie verĂ€nderte weder ihre Haltung noch ihre Stimme, leise, wie gelangweilt, sagte sie: Ich werd’s ĂŒberleben.

Du weißt nicht, was du redest, rief er kopfschĂŒttelnd. Aber es gebe doch einen Ausweg, fĂŒgte er nachdenklich hinzu. Der Vater dieses Kindes, zweifellos gebe es doch einen Vater, wenn er sich zu seiner Vaterschaft bekenne, mĂŒsse er sie heiraten. Er, Michael Richter, werde sich bei der Herrschaft dafĂŒr einsetzen, und wenn der Herr von Muschwitz


Wenn, wenn, unterbrach sie ihn, hoch aufgerichtet jetzt und mit offenen Augen und ĂŒberhaupt nicht sanft und schĂŒchtern, wie er sie als SchĂŒlerin in Erinnerung hatte. Er bekennt sich nicht, sagte sie. Er will nicht heiraten.

Das wollen wir doch mal sehen, sagte Richter. Wer ist es?

Der Kubitz Jan.

Der aus Ratzen?

Genau der. Aber er streitet es sowieso ab, ich sag’s Ihnen gleich, Herr Lehrer. Und ich will ja auch gar nicht heiraten, und den Kubitz Jan schon gar nicht. Das wird auch so einer sein, der seine Frau und seine Kinder prĂŒgelt, einer wie mein Vater und wie noch so mancher in Lohsa und Mortka, wissen Sie das gar nicht, Herr Lehrer?