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Hempels Tochter

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Von dem Augenblicke an, wo Frau Hempel das zierliche Wesen zum erstenmal im Arm gehalten hatte, war es ihr klar gewesen, daß es das MĂ€dchen besser haben sollte als sie. WĂ€re es ein Junge geworden, hĂ€tte er etwas wie Bismarck oder Zeppelin werden mĂŒssen. Aber auch ein MĂ€dchen konnte GlĂŒck haben. Sie hatte ihr darum einen besonders schönen und klangvollen Namen geben wollen. Liselotte sollte sie heißen oder Bianka-Maria. Aber Hempel hatte gemeint, daß das Namen fĂŒr Rennpferde wĂ€ren und nicht fĂŒr ein anstĂ€ndiges MĂ€dchen. In den ersten Ehejahren wurde sein Wille durchaus anerkannt. So wurde Laura nach ihres Vaters Mutter benannt, die bis in das höchste Alter hinein eine vielgesuchte Kochfrau in den besten Familien gewesen. Jetzt hatte Laura ihre Frisur beendet. Sie sprang vom Bett herunter und holte sich ihre Stiefelchen. Über die schwarzen WollstrĂŒmpfe, ein Werk der Mutter, zog sie hohe Knopfstiefel, deren feines Leder mit hellrosa Seide gefĂŒttert war. Es waren Stiefel, wie sie nur eine Prinzessin oder eine Schustertochter tragen konnte. Als Laura das Kleid ĂŒbergezogen hatte, ging sie zur TĂŒr. Hier drehte sie sich noch einmal um, nickte der Mutter, die schweigend mit dem Staublappen ĂŒber die Möbel fuhr, lĂ€chelnd zu und sagte: »Ich bin neugierig, was werden wird.« Und ehe sie Antwort hĂ€tte bekommen können, war sie hinaus ...