Das ist ein PlĂ€doyer fĂŒr die Anekdote:
Eines ist unbestritten: Die Anekdote hat drei wunderbare Eigenschaften. Das sind die Weisheit, die Heiterkeit und die Geselligkeit. Darin kommt ihr keine andere Kunst gleich. Was Wunder, dass ihr meine groĂe Liebe gehört. Und ein langes Vorwort. Letzteres aber steht am Anfang dieser Anekdotensammlung und dort kann man es auch selber nachlesen.
AuĂerdem rĂŒhmt Branstner, der die Bescheidenheit immer fĂŒr unmoralisch hielt, seine eigenen Anekdoten:
Die Nepomuks zu schreiben war unvermeidlich. Ihre logische und philosophische Eigenart sind neben meiner sprudelnden Fantasie wesentliche TriebkrĂ€fte meiner Produktion. Ich hatte etwa 15 Nepomuks geschrieben, als mir die Geschichten vom Herrn Keuner von Bertolt Brecht begegneten, von deren Existenz ich bis dahin nichts gewusst hatte. Erfreut begrĂŒĂte ich einen exzellenten Partner und Konkurrenten. Das ist eine merkwĂŒrdige Eigenschaft von mir: ich freue mich, wenn ich nicht allein gut bin. Ich sehne mich geradezu nach mindestens gleichguten Partnern. Daher bedauere ich es, dass Peter Hacks dazu nicht taugt. Zwar ist er ein groĂartiges Genie und hat auf vielen verschiedenen Gebieten Hervorragendes geleistet, doch auf dem Gebiet der Politik und Geschichtsphilosophie ist er eine brillante Null. Wie könnte der Massenmörder Stalin, lebte er noch, den Kapitalismus verhindert haben, wo der Stalinismus doch wesentliche Ursache der Kapitalisierung des Sozialismus war? Da steht die historische KausalitĂ€t Kopf.
Hier zwei dieser Keuner-Geschichten, sorry, Nepomuk-Geschichten:
Die unmoralische Tugend
Als Nepomuk hörte, wie einmal mehr das Lob der Bescheidenheit gesungen wurde, rief er aufgebracht: âWer seine FĂ€higkeiten unter dem Mantel der Bescheidenheit verbirgt, erschwert ihren richtigen Einsatz oder macht ihn ganz unmöglich. Daher ist Bescheidenheit nichts als DrĂŒckebergerei!â
Heimlich unheimlich
Ein Bekannter Nepomuks beklagte sich darĂŒber, dass wir zu wenig aus unseren Fehlern lernen. âDabeiâ, so meinte er, âhaben wir doch genug gemacht, um hĂ€tten lernen zu können, wie man Fehler vermeidet.â
âWir sollten vielmehr lernenâ, entgegnete Nepomuk, âwie man Fehler macht. Da Fehler niemals gĂ€nzlich zu vermeiden sind, mĂŒssen wir uns darin ĂŒben, sie so geschickt wie möglich auszufĂŒhren. Das Richtige ungeschickt gemacht ist oft ein gröĂerer Fehler als der geschickt gemachte Fehler. In diesem steckt immerhin ein gewisser Witz, weshalb er auch leichter eingestanden wird als der ungeschickte.â