Expressionismus

Seit den frĂŒhen 1980er Jahren hat sich die Forschung zur Kulturgeschichte des Geruchssinns vom Nischenansatz zu einem gewichtigen Zweig der Historiografie entwickelt, der auch die Medien, Projekte, Themen und Tropen der Kunst, Musik und Literatur in ein neues Licht rĂŒckt. Der Expressionismus, der hĂ€ufig als spezifisch deutsche Bewegung gilt, hat in der einschlĂ€gigen Forschung, die vor allem im anglo- und frankophonen Sprachraum betrieben wird, bislang zu Unrecht nur wenig Beachtung gefunden. Die expressionistische Zivilisations- und Kulturkritik in Literatur, Kunst und Film thematisiert oft geruchsintensive Erfahrungen von Krieg, Tod und Verfall, und sie stellt den Versuch einer hygienischen Desodorierung sozialer RĂ€ume zum Teil kritisch dar. FĂŒr manche messianische Expressionist*innen ist das Riechen als Modus einer ekstatischen Welterfahrung interessant, der topophile oder sexuelle Entgrenzungen ermöglicht oder intensiviert, und im Zusammenhang mit den rituellen AnsprĂŒchen des Expressionismus werden kultische GerĂŒche und religiöse Geruchssymbole bedeutsam. Dabei stellt die Frage, wie GerĂŒche und Geruchsvorstellungen suggeriert, thematisiert oder evoziert werden können, die jeweilige Kunstgattung und ihre Medien vor besondere Herausforderungen; die expressionistische Architektur arbeitet sich zudem an der Aufgabe ab, RĂ€ume auch unter olfaktorischen Gesichtspunkten menschengerecht zu gestalten. Der Band möchte das VerstĂ€ndnis der Geruchskultur des Expressionismus schlaglichtartig erweitern und vertiefen. Er geht der Vielfalt olfaktorischer Wahrnehmungen nach – vom Erotischen ĂŒber den Leichengeruch bis hin zu Zukunftsvisionen ĂŒber ein medientechnisch erweitertes Riechen. Mit BeitrĂ€gen von Uwe Czier, Andreas Kramer, Frank Krause, Sergej Rickenbacher und Ulrike Zitzlsperger.