KOMMT EIN INSPEKOR? - - (26.11.50)
Valentine Volkmers neuer Brumml-Vorschlag betraf ein literarisches Thema. Er war als Parodie eines großen Bühnenerfolgs dieser Tage gedacht. Das Original, ein Stück des Engländers Priestley 'Ein Inspektor kommt' war von hochtrabendem Tiefernst und wurde drum damals in aller Welt aufgeführt. Sogar in Bayern. Es paßte in die Zeit der Ost/West Kontroversen, denn es behandelt eine (natürlich kapitalistische) Familie, die auf einer Feier von einem Inspektor namens Goole verhört wird. Er muß ihre Mitschuld an einem Mord aufklären. Tatsächlich hat diesbezüglich Jeder auf der Bühne Dreck am Stecken und ist mitschuldig. (es sind ja Kapitalisten und das Opfer war eine arme Arbeiterin. No!) Die Reichen zittern vor einem Skandal, bis sie erfahren, es gibt gar keinen Inspektor Goole. Das Ganze war ein Bluff. Sie jubeln - bis die Nachricht kommt, ein echter Polizeiinspektor ist bereits auf dem Weg zu ihnen. Die Geschichte war auf der Bühne trotz, oder wegen der Linkslastigkeit eigentlich ziemlich fad. Sie war uns auch völlig wurscht, für unseren altbairischen Geschmack war das ein Politgeseires, Agitprop (Agitation und Propagada) und Aufsagerei, aber kein Theaterstück. Uns gefiel nur der Titel. Um den herum wollten wir eine Brumml-Handlung spinnen, die natürlich nichts mit Agitprop zu tun hatte, sondern mit der Münchner Gegenwart. Eine Gaudi mußte sie sowieso sein. Und wo es in England um Mord und Sozialismus geht, handelt es sich in München eher um die Vorherrschaft unduldsamer Frauen über pensionierte Ehemänner.
Nun gab es, warum so plötzlich weiß kein Mensch, eine Mode, die man in Norddeutschland 'Spökenkiekerei' genannt hätte. Weswegen Wahrsager und Geisterseher auch damals schon Hochkonjunktur hatten. Familie Brumml hatte damit keine weiteren Unkosten. Die hatte ihr Medium schon im Haus. Wir drei Autoren ließen die somnambule Zenzi durch drei unterschiedliche Wachträume eine Woge Brumml'scher Wut, Panik und Angst auslösen. Dabei hatte auch sie nicht mehgt zu bieten als die Suche nach voraussehbarer Zukunft mittels Wahrträumen und deren Deutungen, Halluzinationen, dritten Gesichten, Visionen und lauter so verblasenem Zeug. Für das man als ständige Ausrede den albernen Satz benutzt: 'Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt'. Mit dieser alles und nichts sagenden Behauptung war einst vermutlich etwas Bestimmtes gemeint. Bestimmt aber nicht, daß sie von Horoskopgläubigen und Visionsinhabern als Rechtfertigung ihres albernen Tuns genutzt wird. Uns war aber auch diese Spezies der spinnerten homines wurscht. Uns gefielt nur die Möglichkeit, die liebe Zenzi mit einem neuen Spleen auszustatten, während die Rentnerfamilie Brumml im Jahr 1950, wo's rundum wieder alles zu kaufen gibt, versucht, an's nötige Geld zu kommen. Die paßten dem englischen Stücktitel frohgemut einen ganz anderen Handlungsverlauf an, der unserer Nachkriegs-Realität entsprach. Da ging es immer noch verblasen, surreal und jenseitig genug zu, während alles Streben nur ums liebe Geld, das Gerschtl, den Flins, den Diridari kreiste.
Aber das ist so eine Sache, Man kriegt Humor mit doppeltem Boden oder gar ein bissel mehr Tiefgang nicht immer befriedigend hin. Oft verspricht man sich von einer Geschichte mehr, als am Ende heraus kommt. Und außerdem, wer will das Gegrübel hören? Die Brummlg'schichten waren zum Amüsieren da, nicht zum Philosophieren