Vom Austeilen und Auf-die-Fresse-Kriegen: eine Nachwendejugend in Mecklenburg-Vorpommern.
Hendrik Bolz, geboren 1988, ist in Stralsund aufgewachsen, im nordöstlichsten Winkel Deutschlands, in einer Welt, die, obwohl das Land längst nicht mehr »DDR« heißt, wenig mit dem zu tun hat, was im Westen als Normalität durchgeht. Lediglich das RTL-Nachmittagsprogramm, das im Hintergrund zu hören ist, deutet darauf hin: Es sind dieselben Nullerjahre.
Während in den Plattenbauten von Knieper West immer mehr Erwachsene die Suche nach einem Platz im neuen System aufgeben, nehmen Hendrik und seine Freunde die Herausforderung an: Sie finden Auswege aus der Langeweile und Fluchtwege, um keine Prügel zu kassieren. Langsam zerfallen die Frontlinien der Baseballschlägerjahre, an die Stelle der Springerstiefel treten Turnschuhe, die Böhsen Onkelz werden von Aggro Berlin abgelöst, die Optionen bleiben die gleichen: Fressen oder Gefressenwerden.
Im Kindergarten, in der Schule und im Fußballverein haben sie gelernt, dass ein großer Junge nicht weint und dass der Klügere nur so lange nachgibt, bis er der Dümmere ist. Nun gilt es, härter zu werden, um, wenn es drauf ankommt, dem anderen die Nase zu brechen. Und stumpfer zu werden, um dabei nicht zu zögern. Die Mittel finden sich – Kraftsport, Drogen, Rap. Und bald sind es neue »Kleine«, die sich verstecken müssen.
Hendrik Bolz erzählt eindringlich von einem Jahrzehnt im Osten Deutschlands, das uns ein Stück bundesrepublikanische Gegenwart erklären kann.
Hendrik Bolz, geboren 1988 in Leipzig, zog Ende der Nullerjahre von Stralsund nach Berlin, wo er ein Studium in den Sand setzte, in der Redaktion der Internetseite rap.de arbeitete und schließlich beschloss, selbst Rapper zu werden. Heute bildet er eine Hälfte der Band Zugezogen Maskulin und ist Host des Podcasts »Zum Dorfkrug«.
Susan
6.6.2023
Ich gehöre zu dem Jahrgang 1980 und vieles des geschriebenen erinnert mich an die Jahre der Wende, wie ich diese Jahre wahrgenommen habe. Mein großes Glück, meine alleinerziehende Mam hatte immer Arbeit und auch meine beide älteren Geschwister hatten in dieser Hinsicht Glück und blieben von den Ängsten um Arbeit verschont. Für mich eine Lehrstelle zu finden, war schwierig. 80 Bewerbungen, 80 Absagen das tut weh und benötigt ein positives Elternhaus, was begleitet, damit man weiter macht, nicht aufgibt. Umso verständlicher das Jugendlich mit Eltern, die sich selbst in Nöten befinden, es schwerer fällt ihren Weg zu finden. Für mich war es sehr interessant jetzt als Frau, die Gedanken und Gefühle eines Jungen aus diesen unruhigen Zeiten zuhören. Das erklärt so manches im Nachhinein. Wunderbar das Hendrik das alles in Worte gekleidete. Wie soll man sonst eine Vorstellung erlangen und Empathie entwickeln, wie von Gewalt, was einem so fremd ist. So kann man darauf aufbauen, alle können nur daraus lernen.
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