EINLEITUNG
West-Kanada
Traumlandschaften zwischen Prärie, Bergen und Meer
Unermessliche Weiten und wenige Menschen – so stellt man sich West-Kanada vor. Mit Bergen, Wäldern und glitzernden Seen, wo Elche und Bären leben und Biber ihre Burgen bauen. Mal kreuzt ein Trapper in seinem Kanu vor seiner Blockhütte am See, mal kommt ein rotberockter Mountie auf hohem Ross daher. Wer aber die Landkarte West-Kanadas einmal genauer ansieht, der gewinnt ein weitaus reichhaltigeres Bild.
Im Westen erstreckt sich British Columbia: entlang der Pazifikküste, im Süden begrenzt durch die USA und nördlich vom Yukon Territory und einem Stück Alaska. In dieser Provinz spannt sich der Bogen vom dichten Regenwald der Küste und ihren meist Wolken verhangenen Bergen, von den vielen größeren und kleineren Inseln bis hin zu den trockenheißen Plateaus im Landesinneren; von sonnenreichen Trockengebieten im Süden über die berühmten Rocky Mountains bis hin zu den tiefen Nadelwäldern und einsamen Gebirgen im Norden.
Ziemlich geradlinig schließt sich im Osten die Provinz Alberta an, wo je nach Blickrichtung Bergland und Prärie beginnen oder enden. Auf jeden Fall setzen die Rocky Mountains eine massive Barriere gen Westen. Abrupt gibt das Gebirge dem einstigen Prärieland Raum. In den schier endlosen Weizenfeldern nicken immer wieder Ölpumpen, im Süden, Richtung USA, erstreckt sich heißes Ödland. Im Norden, wo irgendwann die Northwest Territories beginnen, herrschen menschenleere aber tierreiche Wälder vor; im Osten schließt sich geradlinig die Provinz Saskatchewan an.
British Columbias temperierter Küstenregenwald wird von der mächtigen Holzindustrie beherrscht. Dennoch überlebt noch manch ursprünglicher Waldbestand. Der Pazifik an der Westküste von Vancouver Island und die geschützten, inselreichen Gewässer der Strait of Georgia zwischen dem lang gestreckten Vancouver Island und dem Festland gehören zu den meistgelobten Tauchrevieren der Welt und verbergen in ihren Tiefen eine faszinierende Meeresflora und fauna.
Im Hinterland der Küstenberge erstrecken sich weite, einsame, von Bären durchstreifte Gefilde und nur an wenigen Stellen gibt es Verbindungen zur Küste: in der Region Vancouver, beim Seehafen Prince Rupert, dem Küstenort Bella Coola und im Norden bei Stewart/Hyder, wo man sogar das südlichste Zipfelchen Alaskas betritt.
Sonnenreiche Täler und trockenheiße Plateaus kennzeichnen das Landesinnere des südlichen British Columbia. Das Okanagan Valley hat sich dank ausreichender Bewässerung den Ruf als Obstgarten der Provinz und als Weinanbaugebiet gesichert. Die Kootenay-Region im Südosten kennzeichnen Gebirgsketten mit engen, langen Tälern, tiefen Wäldern, Flüssen und Stauseen.
Vor der Kulisse der Rocky Mountains verläuft in einem Bogen von der US-amerikanischen Grenze bis hinaus in das nördliche British Columbia der Rocky Mountain Trench, ein mächtiger Grabenbruch in der Erdkruste. Ihn nutzt im Süden von British Columbia der junge Columbia River, der dort seinen Lauf als einer der mächtigsten Flüsse des kanadischen und US-amerikanischen Westens beginnt.
Der majestätische Gebirgskamm der Rocky Mountains mit seinen vergletscherten Zwei- und Dreitausendern, den eiskalten Seen und Strömen, die ihnen entspringen, ist ein Glanzlicht im Kaleidoskop der westkanadischen Landschaften. Albertas Icefields Parkway, der diese grandiose Hochgebirgsszenerie in Nord-Süd-Richtung durchzieht, genießt den Ruf der »Traumstraße der Rockies«. Zu ihren Höhepunkten zählen der Athabasca Glacier und das Icefield Centre nahe der Grenze von Jasper und Banff National Park. Am Fuße der Rocky Mountains beginnt Alberta keinesfalls flach und gleichmäßig bis zum Horizont, sondern oft wellig und hügelig – einst Prärie, jetzt die Kornkammer Kanadas. Zu ihren geologischen Besonderheiten zählen die Badlands ganz im Süden. Echte »Hingucker« dort sind die hoodoos, eigenwillig geformte, dank ihrer unterschiedlichen Gesteinsschichten oft auffallend gestreifte Felstürme. Die Badlands sind auch reichhaltige Dinosaurierfundstätten.
Von Kanadas rund 40 Millionen Einwohnern leben etwa 5,5 Millionen in British Columbia und etwa 4,7 Millionen in Alberta, rund 5 Prozent der Einwohner sind Angehörige der First Nations. West-Kanadas Metropolen – Vancouver, Calgary und Edmonton – präsentieren eine urbane Vielfalt, die touristisch immer mehr an Bedeutung gewinnt, obwohl sie nicht in das bisher gängige Klischee passt.
An erster Stelle rangiert Vancouver, das wohl wichtigste Eingangstor zu West-Kanada. Die viel zitierte »Perle des Pazifiks« bietet neben ihrer beneidenswerten Lage zwischen Bergen und Meer ein Kaleidoskop an Sehenswertem: Museen, Theater, Parks, Restaurants und Hotels. Victoria, die kleine, aber feine, fest mit britischen Traditionen verwachsene Hauptstadt der Provinz, liegt gewissermaßen gleich vor der Haustür auf Vancouver Island. Die größte nordamerikanische Pazifikinsel schützt Vancouver und das Festland vor den Unbilden des Pazifiks.
Albertas schnell wachsende Metropole Calgary ist ein Synonym für Reichtum aus Öl und Viehzucht mit einem ausgeprägten Westernflair. Calgarys Flagschiff ist denn auch die »Calgary Stampede«, eine der größten Rodeoveranstaltungen der Welt. Calgarys nördliche Nachbarin ist das längst zur selbstbewussten, modernen Hauptstadt gewordene Edmonton, das sogenannte Tor zum Norden. Mit der Edmonton Mall als einem der weltgrößten überdachten Einkaufszentren steht sie als Ziel ganz oben auf der Hitliste kanadischer und internationaler Shopping-Freaks.
Abseits dieser Bevölkerungszentren konzentrieren sich die Bewohner auf einem breiten Streifen im Süden der Provinzen, sammeln sich gewissermaßen zur Grenze des Nachbarlandes USA hin, so als wollte Kanada nicht an den Gestaden des Eismeers auslaufen und sich unbemerkt verlieren.
West-Kanada nutzt und schützt die Natur mit all ihren Ressourcen, insbesondere in den Nationalparks Jasper, Banff, Glacier, Waterton Lakes und anderen. Tweedsmuir, Manning, Wells Gray und weitere Provinzparks stehen den Nationalparks in puncto Schönheit und Landschaftsvielfalt oft in nichts nach, außer dass sie von der Provinzregierung betreut werden und diverse ökonomische Nutzung erlaubt ist. Natur in appetitlichen Häppchen in Form von Badeseen, Wasserfällen etc. servieren die kleineren Provinzparks wie swiws Park (Haynes Point), Christina Lake und Englishman River Falls, die bei Kanadiern als beliebte Urlaubsziele geschätzt werden.
Wanderwege für jeden körperlichen Zustand und Fitnessgrad durchziehen die meisten Parks. Von rollstuhlgerechten Wegen reicht das Angebot über kürzere und längere Wanderpfade, die teils mit Schautafeln und botanischen Hinweisen versehen sind oder zu historischen oder landschaftlichen Sehenswürdigkeiten führen, bis hin zu Fernwanderungen durch das Hinterland, wo man mit seinem Zelt und Selbstverpflegung ganz auf sich selbst gestellt ist.
Camping, Wandern, Kanu-, Kajak- und Wildwasserfahrten, Tauchen, Schwimmen, Wintersport, Walbeobachtungstouren – die Liste der möglichen Outdoor-Aktivitäten in West-Kanada ist lang. Wer Ausrüstung, Transport oder andere Unterstützung benötigt, wendet sich an einen der Outfitters in oder am Rande der Parks oder in den populären Zentren. Sie stellen Kanus, Mountainbikes und anderes Sportzubehör bereit, das man leihen oder kaufen kann.
Wer nicht auf eigene Faust losziehen will, schließt sich einer Gesellschaft an. Paddelt man, wie auf den Bowron Lakes oder in Wells Gray, auf eigene Faust, findet man bei einem Outfitter die nötige Ausstattung, wichtige Informationen und die Sicherheit von An- und Abmeldung. Mit einer Angellizenz und der entsprechenden Ausrüstung kann man in glasklaren Seen und strömenden Bergflüssen fischen und die Forellen anschließend auf dem Lagerfeuer grillen, das man auf den meisten Campingplätzen West-Kanadas entzünden darf.
Auch zwischen Natur und Stadt öffnet sich eine breite Palette an Freizeitangeboten: Freilichtmuseen wie Barkerville, Fort Steele und Fort St. James, historische Ranches und Goldgräberstätten, Weingüter und Vergnügungsparks, Thermalbäder und Wasserparks. Das Spektrum der Museen reicht von kleinen Heimatmuseen über Museen zur Eisenbahn, zur indigenen Bevölkerung oder der Geschichte bis hin zu Kunstmuseen von Weltrang. Vielerorts lernt man die Region durch See-, Dampfzug- oder Stadtrundfahrten und von schönen Aussichtspunkten kennen. Vor allem im Sommerhalbjahr werden allerorten Rodeos, Kinder-, Kunst-, Musik- und andere regionale und internationale Festivals veranstaltet.
West-Kanada profitiert von einem gut ausgebauten Verkehrsnetz mit exzellenten Straßen, das sich von den Zentren der Provinzen ausbreitet. Im Sommer sind die Straßenarbeiter-Crews dabei, die Frostschäden des vorangegangenen Winters zu beheben. Das führt oft zu Wartezeiten an den Baustellen, aber in der Regel sind die Fernstraßen gut befahrbar. Der Trans-Canada Highway erreicht Vancouver, bevor er schließlich zum Sprung nach Vancouver Island ansetzt und dort nach fast 7800 Kilometern quer durch den Kontinent endet. Weiter nördlich verläuft der nach einem Trapper benannte, gut ausgebaute Yellowhead Highway West-Kanada.
Im Norden British Columbias beginnt der legendäre Alaska Highway, der seit seinem Bau während des Zweiten Weltkriegs die Menschen in den Norden und nach Alaska gelockt und die isolierten Pelzhandelsposten und winzigen Ansiedlungen dem Rest des Landes näher gebracht hat. Dieser Highway ist Realität und Mythos zugleich. Er verbindet den Süden der Provinzen mit den wilden Parks und Regionen im Norden.
Viele kleinere und einige immer weniger werdende größere Straßen im Norden von British Columbia, Alberta und dem Yukon Territory tragen noch Schotterbelag. Sie vergrößern zwar mitunter den Fahrspaß, aber viele Strecken sind von den Leistungen der Fahrzeuganbieter, besonders der Wohnmobilvermieter, ausgeschlossen.
West-Kanada ist ideales Terrain für Naturliebhaber und Outdoor-Enthusiasten, für Fotografen und Aktivurlauber, die sich aber auch mal an einem der zahlreichen Seen als Badegast für ein paar Stunden oder Tage zurückziehen können und möchten. Wer gern sein Zelt oder Wohnmobil aufstellt, kann fast immer sicher sein, abends am knisternden Lagerfeuer neben der selbst gewählten Heimstatt zu sitzen und den nächtlichen Geräuschen der Natur zu lauschen. Wer feste Wände um seine Schlafstätte bevorzugt, findet eine reiche Auswahl an Hotels, Motels und urkanadischen Lodges in oder am Rande der Wildnis.
Der vorliegende Reiseführer möchte mit der Beschreibung der verschiedenen Regionen und Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten Begeisterung und Interesse wecken für dieses Land. Gute Reise!