Es gibt bislang keine Biografie Ăźber Agatha Christie aus deutscher Feder, die umfassender, aktueller und anspruchsvoller wäre. Agatha Christie zählt wahrscheinlich zu den am meisten unterschätzten PersĂśnlichkeiten der schreibenden Zunft im 20. Jahrhundert â was ihr selbst aber nicht viel ausmachte, denn sie war, am Umsatz gemessen, sogar die erfolgreichste Autorin aller Zeiten mit geschätzten zwei Milliarden verkauften BĂźchern. Und je mehr Zeit vergeht, seit die groĂe Dame des Kriminalromans 1976 verstarb, umso bereitwilliger revidieren jene Kritiker, die Christie einst als Trivialautorin links liegen gelassen hatten, ihr Urteil. Denn die Schriftstellerin konnte nicht nur ausgezeichnet erzählen, sondern lieferte auch eine Art Psycho- und Sozialchronik des 20. Jahrhunderts. Agatha Christies Leben war schon deshalb spannend, weil sie durch ihren Erfolg Zugang zu den groĂen BĂźhnen der Ăffentlichkeit erhielt, mehr als eine Weltreise unternahm und sich an der Seite ihres zweiten Mannes Max Mallowan zur Hobby-Archäologin entwickelte. Das Interessanteste aber ist ihre Kunst, die menschliche Wahrnehmung im Spiegel einer Krimihandlung in all ihrer naiven Leichtgläubigkeit, aber auch ihrer natĂźrlichen Skepsis zu charakterisieren. In ihrem Habitus blieb Agatha die reservierte viktorianische Lady, die aber in ihrem Wirken weit Ăźber das zu ihrer Zeit gĂźltige Frauenleitbild hinauswuchs. In ihren beiden Ehen errang und wahrte sie ihre persĂśnliche Unabhängigkeit â auch in Lebenssphären, in denen Ruhm und Geld keine Rolle mehr spielten. Ihre Vita zu erzählen und dabei ihr Werk zu wĂźrdigen war ein groĂer Ansporn fĂźr eine so erfolgreiche feministische Autorin wie Barbara Sichtermann.