Das Mittelalter, die menschheitsgeschichtlich gigantische Epoche zwischen dem 6. und dem 15. Jahrhundert, soll also "finster" und "dumpf" gewesen sein? Eine Karenzzeit der geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Stagnation, die erst durch Reformation und Aufklärung beendet werden konnte? Alles Unfug! Das abwertende Mittelalter-Klischee, das wir alle seit Schultagen mehr oder weniger verinnerlicht haben, ist für den "Gegenaufklärer" Rodney Stark eine bloße Auswirkung anti-katholischer Propaganda des 18. Jahrhunderts und geht vollkommen fehl. Das europäische Mittelalter, weist Stark mit vitaler Entschiedenheit nach, war vielmehr eine Epoche größter erfinderischer und wirtschaftlicher Blüte. Und das aus einem Grund: weil es das Christentum gab, dessen Theologie sich (etwa bei der Bibelauslegung) als ausgesprochen anpassungsfähig an stets sich verändernde Lebensumstände erwiesen hat. Diese der zukunftsorientierte Theologie brachte ein Element immanenter Vernunft und Logik in die mittelalterliche Welt, was konsequent das rationale Wirtschaften und den kapitalistischen Fortschritt nach sich zog. Auf diese Weise, so Stark, konnte das Abendland in puncto ökonomischer Freiheit und Wohlstandsgewinnung alle anderen Zivilisationen auf die Plätze verweisen – mit Recht, auch wenn das heutige Europa, moralische Selbstzersetzung betreibend, das nicht wahrhaben will.