Das Wiederentstehen autoritärer Gesellschaften lässt die Frage aufkommen, welche Bedeutung die PersĂśnlichkeit von Politikern wie Putin, Orban oder Trump fuĚr diese Entwicklung hat. Die allgemeinere Frage dahinter lautet: Passen sich soziale Systeme eher psychischen Strukturen an, oder ist es umgekehrt?
Fritz B. Simon studiert ein lehrreiches Beispiel: Stalin und die Sowjetunion. Sein Buch verbindet drei thematische Stränge: die Lebensgeschichte Stalins in ihrem historischen Kontext; die Dynamik der zum jeweiligen Zeitpunkt fßr ihn relevanten sozialen Systeme; und die psychische Entwicklung Stalins zur beschriebenen Zeit.
FuĚr die Analyse der sozialen Systeme, deren Mitglied Stalin war â von der Familie bis zum Staat â, zieht Simon Konzepte der Familienforschung und der soziologischen Systemtheorie heran. Die Analyse von Stalins psychischer Entwicklung ruht auf psychoanalytischen Konzepten. Dieser methodische Doppelzugang deckt eine Koevolution auf, die zu einer schrecklichen Diktatur mit einem der grausamsten Diktatoren der Weltgeschichte fuĚhrte. Stalin und die UdSSR erweisen sich dabei als LehrstuĚck, das einen sehr erhellenden Blick auf die Gegenwart erĂśffnet.