Kennzeichen der Epoche von Hegels Tod bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts ist die Nüchternheit, die an die Stelle des 'metaphysischen Rausches', der die nachkantische Philosophie bestimmte, getreten ist. Zwar scheint die eigentliche Entdeckung des Erkenntnisproblems erst in diesem Zeitraum erfolgt zu sein, doch ist es nicht mehr die Philosophie, die die Führung auf diesem Gebiet innehat, sondern es sind die Spezialwissenschaften, die versuchen, es für sich selbst zu formulieren und ihm eine Fassung zu geben, die den eigenen besonderen Interessen und Aufgaben entspricht. Jede Wissenschaft für sich versucht, der Philosophie den Rang der Universalität abzulaufen und nicht nur ihr Spezialgebiet zu vertreten, sondern für das Ganze der Wissenschaft zu sprechen. Die Rolle der Philosophie und ihr Verhältnis zu den Einzelwissenschaften wandelt sich grundlegend. Während der Historiker des Erkenntnisproblems bei der Darstellung der vorangegangenen Epochen wesentlich Philosophiehistoriker sein konnte, da das philosophische Denken der 'vollkommene und der eigentlich adäquate Ausdruck für die Gesamtbewegung des Wissens' war, muss er sich in der hier darzustellenden Epoche von den Einzelwissenschaften leiten lassen. Was er dennoch nicht aus dem Blick verlieren darf, ist der Anspruch, die eigentlich bewegenden Kräfte des Erkenntnisproblems ausfindig zu machen. »Die Zeit der großen konstruktiven Entwürfe, in der die Philosophie hoffen durfte, das Ganze des Wissens mit einem zu systematisieren und zu organisieren, ist für uns dahin. Aber die Forderung der Synthesis und Synopsis, der Überschau und Zusammenschau bleibt nach wie vor bestehen, und nur aus einer solchen Art des systematischen Überblicks läßt sich das wahre geschichtliche Verständnis des Einzelphänomens gewinnen.« Inhalt: Die exakte Wissenschaft, Das Erkenntnisideal der Biologie und seine Wandlung, Grundformen und Grundrichtungen des historischen Erkennens.