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Bergrichters Erdenwallen

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In großer Erregung umstehen Bauersleute, Knechte und MĂ€gde das Gehöft des Servaz Amareller, Bauers im Hemmernmoos, und besprechen den unerhörten Fall eines großen Gelddiebstahles. Nach den im Jammerton immer wieder vorgebrachten Beteuerungen des dĂŒrren, kleinen Amarellers ist eine Brieftasche mit ĂŒber fĂŒnfhundert Gulden, dem Betrag fĂŒr verkauftes Vieh, aus einer gut versperrt gewesenen Truhe gestohlen, ganz rĂ€tselhaft entwendet worden. Gestern noch ĂŒberzeugte sich Servaz Amareller durch AbzĂ€hlen der Noten von dem Vorhandensein des Geldbetrages worauf die Truhe wieder sorglich verschlossen und der SchlĂŒssel im Ofenloch versteckt wurde. Heute ist das Geld verschwunden, wiewohl niemand Fremdes im Hause gesehen und der SchlĂŒssel im Aschenversteck vorgefunden wurde. Die Nachbarn, von der ĂŒberraschenden Neuigkeit verstĂ€ndigt, stimmen dem jammernden Bestohlenen zu, daß nur eines von den Hausleuten selbst den Diebstahl habe vollfĂŒhren können, weil sich weder an der HausthĂŒre noch an den mit EisenstĂ€ben vergitterten Fenstern Spuren eines gewaltsamen Eindringens vorfinden lassen. Schon zweimal haben die Bauern die Front sowie die Seiten des Gehöftes in Bezug auf Anzeichen eines Einbruches von Außen untersucht, es ist nicht das Geringste zu entdecken. Das Geld ist aber fort, die Truhe aufgesprengt. Amarellers JĂŒngster mußte sogleich nach der Entdeckung des Diebstahles hinaus zur Gendarmerie zur Anzeige, und jeden Augenblick steht die Ankunft eines Gendarmen zu erwarten.

Die Bauern erörtern in lebhafter Weise die Frage, wer solcher, in Tirol unerhörter Frevelthat genĂŒgend verdĂ€chtig sein könnte. Die Inwohner sind durchaus ehrliche Leute, wenigstens bis gestern seit Jahren gewesen; ohne Ă€ußere Anzeichen eines Eindringens kann es nicht anders sein, als daß einer der Dienstboten schuldig des Diebstahls ist. Aber wer?...

Arthur Achleitner berichtete in spannend geschriebenen Feuilletons mehrerer großer Zeitungen und finanzierte so seine Reise und seine Schriftstellerei, war Redakteur bei der SĂŒddeutsche Presse in MĂŒnchen und lebte in MĂŒnchen als freier Schriftsteller. In den Sommermonaten bereiste er die Bergwelt von Bayern bis in die Steiermark. Seine Erlebnisse auf der Jagt, in den Alpen und im Gebirge thematisierte er in seinen Heimatromanen.