(0)

Demian: Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend

E-book


Demian: Die Geschichte von Emil Sinclairs Jugend Hermann Hesse - Wie alle Hauptwerke Hermann Hesses hat auch der Demian, den der damals 40jĂ€hrige Autor mitten im Ersten Weltkrieg schrieb, eine ebenso ungewöhnliche wie spannende Entstehungs- und Wirkungsgeschichte. Daß dieses im Herbst 1917 vollendete Buch erst im Juni 1919, ein halbes Jahr nach Kriegsende, veröffentlicht wurde, lag an der Unbekanntheit des Verfassers. Denn Hesse hatte das Manuskript dem Verlag als das Erstlingswerk eines kranken jungen Dichters empfohlen, des zeitkritischen Poeten Emil Sinclair, der bisher nur in Zeitungen und Zeitschriften durch pazifistische Mahnrufe und ErzĂ€hlungen aufgefallen war (die gleichfalls von Hesse stammten). Doch trotz des Inkognitos erlebte das Buch eine geradezu stĂŒrmische Aufnahme und wurde noch im Erscheinungsjahr mit dem Fontane-Preis fĂŒr das beste Erstlingswerk eines Nachwuchsautors ausgezeichnet. Thomas Mann verglich die elektrisierende Wirkung des Buches mit der von Goethes Werther, da es »mit unheimlicher Genauigkeit den Nerv der Zeit traf und eine ganze Jugend, die wĂ€hnte aus ihrer Mitte sei ihr ein KĂŒnder ihres tiefsten Lebens entstanden, zu dankbarem EntzĂŒcken hinriĂŸÂ«. Bis zur Entdeckung des Pseudonyms im Mai 1920 erschienen drei Auflagen, denen dann unter Hesses eigenem Namen zu seinen Lebzeiten noch 93 weitere folgten.

-----------------------------

Um meine Geschichte zu erzĂ€hlen, muß ich weit vorn anfangen. Ich mĂŒĂŸte, wĂ€re es mir möglich, noch viel weiter zurĂŒck gehen, bis in die allerersten Jahre meiner Kindheit und noch ĂŒber sie hinaus in die Ferne meiner Herkunft zurĂŒck.

Die Dichter, wenn sie Romane schreiben, pflegen so zu tun, als seien sie Gott und könnten irgendeine Menschengeschichte ganz und gar ĂŒberblicken und begreifen und sie so darstellen, wie wenn Gott sie sich selber erzĂ€hlte, ohne alle Schleier, ĂŒberall wesentlich. Das kann ich nicht, so wenig wie die Dichter es können. Meine Geschichte aber ist mir wichtiger als irgendeinem Dichter die seinige; denn sie ist meine eigene, und sie ist die Geschichte eines Menschen — nicht eines erfundenen, eines möglichen, eines idealen oder sonstwie nicht vorhandenen, sondern eines wirklichen, einmaligen, lebenden Menschen. Was das ist, ein wirklicher lebender Mensch, das weiß man heute allerdings weniger als jemals, und man schießt denn auch die Menschen, deren jeder ein kostbarer, einmaliger Versuch der Natur ist, zu Mengen tot. WĂ€ren wir nicht noch mehr als einmalige Menschen, könnte man jeden von uns wirklich mit einer Flintenkugel ganz und gar aus der Welt schaffen, so hĂ€tte es keinen Sinn mehr, Geschichten zu erzĂ€hlen. Jeder Mensch aber ist nicht nur er selber, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwĂŒrdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen, nur einmal so und nie wieder. Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig, ewig, göttlich, darum ist jeder Mensch, solange er irgend lebt und den Willen der Natur erfĂŒllt, wunderbar und jeder Aufmerksamkeit wĂŒrdig. In jedem ist der Geist Gestalt geworden, in jedem leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt.