Conrad Blenkle an sein Kind:
„Ich muß von Dir scheiden, lebe wohl!
Ich habe den letzten Nachmittag verlebt und gehe dem Ende ruhig entgegen. Als Kämpfer habe ich gelebt und werde als Kämpfer sterben. Für eine Idee eintreten zu können, ist eine große, ehrenvolle Sache. Das gibt mir Kraft bis zum letzten.
Du bist der Mensch, der mir am nächsten steht. Deine Liebe und Verehrung waren für mich das Wertvollste. Wenn ich mein Leben rückschauend betrachte und Bilanz ziehe, so kann ich im großen und ganzen zufrieden sein. Aber auch ich war ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Trotz alledem weiß ich, dass mein Leben wertvoll war und ich Nützliches geleistet habe.
Meine letzte Mahnung an Dich ist:
Handle immer verantwortungsbewusst, arbeite unablässig an Deiner Vervollkommnung, schone Dich nie, wenn es um Großes geht und Du Dich einsetzen musst!
Lebe wohl und denke immer an
Deinen Dich innig liebenden Vater.“
Wer war Blenkle? Wer kennt ihn heute noch? Warum über ihn schreiben? Das fragt sich Kalle Kortum, dem man gesagt hat, dass er ein Buch über den Mann schreiben soll, von dem er nur weiß, was im Lexikon steht. Aber die Aufgabe, so unlösbar sie zu sein scheint, lässt ihm keine Ruhe. Je mehr Material er sichtet, je öfter er Menschen befragt, die Blenkle kannten, um so deutlicher ersteht vor ihm das Bild eines Mannes, der Leidenschaft und Mut, Klugheit und Konsequenz in einer Zeit bewies, als die Menschlichkeit mit Füßen getreten wurde, der viele Namen annahm, um sich zu verbergen, und der doch immer er selbst blieb. Kalle Kortum sagt sich: Du musst es schaffen, die Gestalt dieses Mannes lebendig werden zu lassen, du musst das Wesen dieses Mannes ergründen.