Gewissheiten im Erziehungsgeschehen geraten gegenwĂ€rtig ins Wanken. In stark ideologisch aufgeladenen, von politischer Korrektheit geprĂ€gten EntwĂŒrfen werden Grenzen auf irritierende Weise infrage gestellt. Etwa zwischen den Geschlechtern im Gender Mainstreaming oder zwischen Behinderung und Nichtbehinderung im Inklusionsdiskurs. Unterschiede zwischen Menschen werden nur noch schwer ausgehalten. Niemand soll zurĂŒckstehen und alle möglichst gleich sein. Dahinter steckt der Traum von einem Neubeginn: mit einem sich weitgehend selbst konstruierenden Menschen, der in einer repressionsfreien, von der Last der Vergangenheit befreiten Gesellschaft aufwĂ€chst.
Derartige Illusionen halten der Wirklichkeit nicht stand. Erziehung ist eine anthropologische Notwendigkeit, der pĂ€dagogische Auftrag lĂ€sst sich nicht beliebig relativieren und entwicklungspsychologische Erkenntnisse mĂŒssen anerkannt werden. Radikale ReformwĂŒnsche, die sich als moralisch unantastbar darstellen, haben hĂ€ufig genug zu schmerzvollen pĂ€dagogischen Irrwegen gefĂŒhrt. Es wird deshalb dafĂŒr plĂ€diert, zur Sachlichkeit zurĂŒckzukehren. Historische Wandlungsprozesse und neue pĂ€dagogische Aufgaben lassen sich nur dann bewĂ€ltigen, wenn illusionĂ€re Verkennungen und ideologische Ăberfrachtungen aufgegeben werden. Nur so kann ein realistisches und zeitgemĂ€Ăes Bild darĂŒber entstehen, was Schule heute leisten sollte und was sie Kindern ermöglichen muss.