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GegenStandpunkt 3-20

E-book


Die Pandemie namens Corona war auch im zweiten Quartal 2020 das alles beherrschende Thema, und der das Thema beherrschende Tenor war Die elende Sehnsucht nach ‚NormalitĂ€t‘. Wie wenig die ‚normalen‘, nĂ€mlich hier und weltweit alternativlos herrschenden wirtschaftlichen und politischen ZustĂ€nde irgendeine AnhĂ€nglichkeit oder Sehnsucht verdienen, das zeigt nicht zuletzt der pandemische Ausnahmezustand selbst.

Die öffentliche Debatte um die Frage „Wer oder was ist systemrelevant?“ angesichts von Lock-down-VerfĂŒgungen samt Ausnahmen, Sonderschichten samt eventuellen ExtravergĂŒtungen und einer Runde gratis WertschĂ€tzung fĂŒr PflegekrĂ€fte etc. war zwar an verlogener Moral nicht zu ĂŒberbieten. Aber alle wirklichen SchĂ€den und die praktischen Maßnahmen der Obrigkeit machen umso deutlicher: ‚Relevant‘ oder nicht – das entscheidet sich an der Logik marktwirtschaftlicher NormalitĂ€t. Und die ist nun einmal eine der kapitalistischen Ausbeutung, entsprechender Reichtumsvermehrung auf der einen, einer massenhaften, teils nĂŒtzlichen, teils bloß unnĂŒtzen Armut auf der anderen Seite. Daran Ă€ndert sich auch in Zeiten der Seuche nichts.

Auch um die NormalitĂ€t des deutschen Schulbetriebs gibt es seit Corona viele Sorgen. Die drehen sich um regelgerechte PrĂŒfungen, mangelnde Gleichheit und Vergleichbarkeit von home schooling, fehlende Sozialkontakte und zeugen allesamt von einem: von Zweck und Funktionsprinzipien der Schule der Konkurrenz als Vorbereitungs- und Ausleseanstalt fĂŒr die marktwirtschaftliche Berufshierarchie. Das Wichtigste, was jeder aus der schulischen Konkurrenz, egal wie weit er es in ihr bringt, fĂŒrs Leben mitnimmt, ist die EinĂŒbung von Konkurrenztugenden samt allen verlogenen Moralismen einer nationalen Werte- und Verantwortungsgemeinschaft.

Ganz normal geht auch der Rassismus in den USA seinen Gang. Leider ist auch der werweißwievielte von US-Polizisten zu Tode gebrachte Afroamerikaner samt den folgenden Unruhen und der militĂ€rischen Antwort des Staates fĂŒr die deutsche Öffentlichkeit nur Gelegenheit, das Ideal eines rassismusfreien Amerika zu beschwören, um die rassistische RealitĂ€t Trump anzulasten. Dabei beweist der umgekehrt mit seinem ganzen Auftritt, wie systemisch der Rassismus einer freien, egalitĂ€ren Staatsgewalt zum amerikanischen Freiheitsstall gehört.

Gar nicht normal findet der französische Patriot und gute EuropĂ€er Macron den Zustand von Europa, weil und solange das nicht so ausgreifend und systematisch als MilitĂ€r- und Kriegsmacht agiert, wie es das seiner atomwaffengestĂŒtzten Meinung nach gefĂ€lligst tun sollte. Mit seiner Parole Die NATO ist „hirntot“ – es lebe die sicherheitspolitische Autonomie Europas unter Frankreichs FĂŒhrung! irritiert er die deutsche Politik und Öffentlichkeit; die sehen darin den Angriff auf ihre Vision imperialistischer Weltgeltung Europas – unter deutscher FĂŒhrung nĂ€mlich.

Der § 18 der Abhandlung ĂŒber die Konkurrenz der Kapitalisten, der die geistigen Verrenkungen erklĂ€rt, mit denen diese Gesellschaft die Konkurrenz der Unternehmen um ĂŒberlegene ProduktivitĂ€t zum unaufhaltsamen Fortschritt verklĂ€rt und an dessen ‚Schattenseiten‘ so unsachlich wie möglich herumproblematisiert.