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Geister Fantasy Dreierband 1007

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Dieser Band enthÀlt folgende Romane:

Moronthor und der verratene Traum (Lloyd Cooper)

Der Todesengel (Alfred Bekker)

Bastion des Satans (Jo Zybell)

Die Fackel brannte ruhig. Ihr Lichtschein strich ĂŒber feuchte von Balken durchzogene FelswĂ€nde. Der Geruch nasser Erde und verrotteten Holzes hing in der Luft.

Keiner von beiden sprach ein Wort. Ihre Schritte hallten von den SchachtwÀnden wider. Virginia raffte ihren Pelzmantel um ihren schlanken Körper zusammen und zog die Schultern hoch. Sie fröstelte.

Aus der Lichtaura des Fackelscheins tauchte ein scharfkantiger Felsbug auf. Links und rechts davon bohrten sich die SchÀchte in die Finsternis hinab. Eine Weggabelung. Eine weitere nach unzÀhligen, die sie bereits hinter sich gelassen hatten.

Virginia blieb stehen. "Welchen Schacht nun?" Sie blickte ihren GefĂ€hrten von der Seite an. Das lange knochige Gesicht des Mannes wirkte versteinert. Seine leicht hervortretenden großen Augen richteten sich starr auf den Felsbug. Die Kaumuskulatur unter seinen hochstehenden und ausgeprĂ€gten Wangenknochen pulsierten. Der Adamsapfel auf seinem langen, dĂŒnnen Hals tanzte auf und ab. "Welchen mĂŒssen wir nehmen?", drĂ€ngte Virginia.

Paul winkte unwillig ab. Er schloss die Augen und lauschte. Sekunden verstrichen. "SpĂŒrst du ihre NĂ€he nicht?", flĂŒsterte er endlich.

Jetzt schloss auch Virginia die Augen. Sie neigte den Kopf. Wieder verharrten sie schweigend. "Doch. Ich spĂŒre sie..." Virginia deutete auf den linken der beiden SchĂ€chte. "Ich spĂŒre ihre NĂ€he - da unten sind sie..."

Paul nickte. Entschlossen setzten sie ihren Weg fort und traten in den linken Schacht. Über etwa zweihundert Meter fĂŒhrte er mit nur leichtem GefĂ€lle in die Erde hinein. Doch dann fiel er steil ab. Streckenweise so steil, dass Virginia sich an der kalten, feuchten Schachtwand festhalten musste, um nicht auf dem glitschigen Felsboden auszugleiten.

"Wie tief sind wir schon unter der Erde?", flĂŒsterte sie.

"Zweihundert Meter?" Paul zuckte mit den Schultern. "Vierhundert Meter? Ich weiß es nicht genau." Wieder blieb er stehen. Scharf sog er die Luft durch seine große Hakennase ein. Seine NasenflĂŒgel bebten. "Riechst du sie?", fragte er leise.

Auch Virginia schnĂŒffelte prĂŒfend. Ein leichter Schwefelgeruch hatte sich in die feuchte Luft gemischt. "Ja", seufzte sie. "O ja, Paul - ich rieche sie." Ihre Stimme vibrierte, ihr Augen weiteten sich.

Beide merkten kaum, wie ihre Schritte sich beschleunigten, als sie weitergingen. Nur beilĂ€ufig registrierte Virginia ihr aufgeregtes Herz. Wie ein junges Kalb vor der FĂŒtterung tĂ€nzelte es ihr im Brustkorb herum. Fiebrige Erregung griff nach ihr.

Dass es ihrem Bruder genauso ging, hĂ€tte sie an seinen großen Augen und an seinem starr nach vorn gerichteten Blick ablesen können. Aber Virginia dachte nur noch an das, was irgendwo dort unten in der Finsternis auf sie wartete.

Monatelang hatten sich das Geschwisterpaar auf diese Stunde vorbereitet. Sie hatten gefastet, hatten öfter als sonst die blutigen Rituale zelebriert, sich tiefer als sonst in beschwörende Gebete versenkt. Und jetzt - ganz nah war das Ziel. Magisch zog es sie an.

Ein Scharren drang aus der Dunkelheit jenseits des Fackelscheins. Erschrocken klammerte Virginia sich im Wildleder von Pauls MantelÀrmel fest. "Hörst du das?" Sie blieben stehen.