Mit Bertha Pappenheim (1859â1936) begegnet uns eine der groĂen Gestalten der deutsch-jĂźdischen Geschichte. Zu Lebzeiten war sie eine BerĂźhmtheit. Als streitbare Feministin grĂźndete sie den JĂźdischen Frauenbund und stritt mit Martin Buber Ăźber eine Reform des orthodoxen Judentums. Nach dem Ersten Weltkrieg beriet sie den US-Präsidenten Woodrow Wilson und initiierte beim VĂślkerbund den Kampf gegen den internationalen Mädchenhandel. Als mutige Aktivistin an vielen Fronten dabei, geriet sie dennoch nahezu in Vergessenheit. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Unter dem KĂźrzel Anna O. lebt Bertha Pappenheim im kulturellen Gedächtnis weiter. Es ist der ihr zugeschriebene Patientenname, unter dem sie â als kapriziĂśse "Hysterikerin" â zur Primadonna der frĂźhen Psychoanalyse avancierte. Wie passen die zwei Leben zusammen?
Franz Maciejewski nimmt das VersatzstĂźck der "Anna O." als das, was es ist: die schillernde Spitze eines Eisberges. Er macht sich dabei den Umstand zunutze, dass Bertha Pappenheim, schon als Patientin die Erfinderin der "Redekur", eine geniale Erzählerin war. Und so lässt er sie ihre Geschichte nach Art der Anna O. selbst erzählen. Es entsteht ein Bild von der SchĂśnheit der Sittlichkeit, hinter dem aufblitzt, was Hannah Arendt treffend die "unzeitgemäĂe Aktualität" von Bertha Pappenheim genannt hat.