Der Band präsentiert das breite Spektrum an Positionen in der west- und osteuropäischen Kunstphilosophie im Zusammenhang mit der Wirkung der Staatlichen Akademie der Kunstwissenschaften in Moskau (GAChN, 1921â1930). Er erschlieĂt damit eines der produktivsten und bislang nur fragmentarisch erforschten Kapitel der Kunsttheorie des 20. Jahrhunderts.
In der Geschichte der Kunsttheorie der Moderne und insbesondere des deutsch-russischen Wissenstransfers bildet die Wirkung der Staatlichen Akademie der Kunstwissenschaften (russ. AbkĂźrzung: GAChN) in Moskau eines der produktivsten und bislang nur fragmentarisch erschlossenen Kapitel. Hervorgegangen aus gemeinsamen BemĂźhungen von KĂźnstlern (Wassily Kandinsky), Philosophen (Gustav Ĺ pet) und Kunstwissenschaftlern, ist die Akademie während ihres kurzen Bestehens (1921â1930) ein Beispiel nicht nur fĂźr eine epistemologische, sondern auch institutionelle Innovation: Sie sollte Kunst und Wissenschaft in einer produktiven Symbiose zusammenfĂźhren.
Als Forschungsinstitution neuen Typs, die eine Zusammenwirkung von Kunstphilosophie, Kunstwissenschaften, Reflexion auf die Kunstpraxis sowie Kunstpädagogik und Kunstpräsentation praktizieren sollte, verstand die Akademie ihr theoretisches Konzept als Antwort auf eine im europäischen MaĂstab diagnostizierte âşKrise der Geisteswissenschaftenâš und als Versuch der Neubestimmung dieser Wissenschaften in der Moderne. Ihre Tätigkeit gehĂśrt damit zur Vorgeschichte der aktuellen Diskussionen Ăźber die Rolle der Kunst in der âşWissensgesellschaftâš sowie Ăźber MĂśglichkeiten und Dimensionen einer wissenschaftlichen Erforschung der Kunst.
Die Debatten an der GAChN Ăźber E. Cassirer, G. Simmel, K. Fiedler, R. Hamann, O. Walzel, E. Panofsky u. a. zeugen von einem gemeinsamen deutsch-russischen Diskussionsraum und werfen ein neues Licht auf die europäische Dimension der Kunstforschung in der Zwischenkriegszeit. Die GAChN ist, durch die Umstände ihrer SchlieĂung und die politischen Repressionen gegen ihre Mitglieder, nur eine kurzlebige Institution gewesen; ihre Bedeutung fĂźr die von ihr beeinfluĂte intellektuelle Bewegung kann erst heute aus den Archiven rekonstruiert werden.