Das spurlose Verschwinden ihrer jĂźngeren Schwester Dilhan und die Trennung von ihrer groĂen Liebe Rahel haben der InstallationskĂźnstlerin Nadia den Boden unter den FĂźĂen weggezogen. Zwar schafft sie es, den Verlust Dilhans zu einem in aller Welt gefeierten Ausstellungsprojekt zu verarbeiten, doch der Trost, den das Publikum in dem interaktiven Kunstwerk findet, kommt bei Nadia selbst nicht an. Ihr innerer Aufruhr bleibt, der Jetset im Zeichen der Kunst ist mehr Flucht als Therapie. Als sie die Installation erstmals in ihrer Heimatstadt Hamburg präsentieren soll, zählt Nadia darauf, dass ihre jahrelang eingeĂźbten Schutz- und Fluchtmechanismen sie auch diesmal vor aufrĂźttelnden Konfrontationen bewahren. Doch hier, wo die Traumata ihren Ursprung haben, ist die Vergangenheit unerwartet lebendig -- und die Erinnerung stärker als die Verdrängung.
In "Nadia" erzählt Can Mayaoglu in energischer, zeitgemäĂer Sprache Ăźber das Weiterleben nach dem Knacks. Ihre Titelheldin kreist mal trotzig, mal verzweifelt um die zwei groĂen Leerstellen ihres Lebens. Statt sich jedoch zweckorientierter Mittel der Traumabewältigung zu bedienen, lernt Nadia Schritt fĂźr Schritt zu begreifen, dass der Schmerz zu einem Teil ihrer Identität geworden ist â eine Erkenntnis, die nicht nur fĂźr sie selbst, sondern auch fĂźr die Lesenden neue Horizonte Ăśffnet. Die psychologische Komplexität des Stoffes spiegelt Mayaoglu in vitalen Figuren und humorvollen Dialogen, die Ăźberzeitliche Thematik in literarischen Verweisen von Shakespeare Ăźber Proust bis Willemsen. Hinzu kommt eine "Playlist" aus Song-Zitaten, die die Kapiteltitel bilden. Sie machen "Nadia" endgĂźltig zu einem RomandebĂźt mit einem ganz eigenem Sound.