Sehr im Unterschied zu dem Freund seiner frĂźhen Jahre und späteren Antipoden Hegel hat Schelling (1775-1854) keine aufsteigende Genese des Geistes und keineswegs seine Wanderung von Westen nach Osten gelehrt. Schon in den Arbeiten des jungen TĂźbinger Stiftlers zeigt sich neben der Aneignung der griechischen Antike, insbesondere Platons, eine hohe Gewichtung und durch Creuzer vermittelte Kenntnis hebräischer, babylonischer und orientalischer Quellen. An diesem Punkt schlieĂt sich in der späten positiven Philosophie der Mythologie und der Offenbarung der Kreis: denn Schelling legt im Vergleich unterschiedlicher Kulturen die wechselbegriffliche Verweisung von Monotheismus und Polytheismus frei. Die Mythologie, keineswegs nur jene der Griechen, sondern gerade auch der Ăgypter und Inder, ist der geschichtliche Ort, an dem die Offenbarung gĂśttlicher Freiheit sich Bahn bricht. Erst aus jener Offenbarung wird aber umgekehrt die Mythologie ihrerseits interpretierbar.
Doch bereits mit seiner Weltalter-Philosophie (Urfassung 1811) hat Schelling selbst, mit Modifizierungen die emphatische Absicht einer 'Mythologie der Vernunft' im 'Ăltesten Systemprogramm des deutschen Idealismus' (1796/97) aufnehmend, eine Narration der Geschichte des Absoluten versucht, deren Elemente aus einem Prozess transkultureller Verschmelzung hervorgehen.
Von diesen Ausgangspunkten aus wird in der Einfßhrung Schellings Vernunftkonzeption herausgearbeitet, die gegen Hegel gerichtet ist, insofern sie die Vernunft in ihrer Begegnung mit einer polyphonen Wirklichkeit expliziert, nicht aber durch den Begriff ßbergreift. Es versteht sich, dass der junge Schelling, der Schelling der Weltalter und der Spätphilosophie das besondere Augenmerk eines interkulturellen Blicks verdienen. Von hier her soll jedoch auch eine Perspektive gewonnen werden, um seine Denkgenese insgesamt, v.a. im Zusammenhang der frßhen Systementwßrfe, der lebenslangen Bemßhung um die 'Form der Philosophie' und der Relation zwischen rein rationaler Philosophie und hÜherer Empirie in ihrer Einheit und Vielheit, ihrer Verbindung von Platon, Spinoza, deutschem Idealismus und nicht zuletzt ihrer Antizipation moderner Problemstellungen in Grundzßgen wßrdigen und transparent machen zu kÜnnen.
Zum Autor:
Der Autor, geboren 1967, studierte Philosophie, Geschichte, Literatur- und Sozialwissenschaften, er promovierte Ăźber Heidegger und Nietzsche, habilitierte sich mit einer Arbeit zu Platon. Lehrtätigkeiten u.a. an den Universitäten Erlangen und Halle-Wittenberg, Forschungs- und Beratungstätigkeit in MĂźnchen. Philosophische Forschungsschwerpunkte u.a.: Antike Philosophie, deutscher Idealismus, Philosophie der Moderne, Ăsthetik, Rechtsphilosophie, Metaphysik und Metaphysikkritik. Hierzu zahlreiche Buch,- Aufsatz und editorische Publikationen.