"Temple. Église" - bis in das 18. Jahrhundert war im französischen Sprachgebrauch der auf die Antike verweisende Tempelbegriff ein Synonym für christliche Kirchenbauten. Während die sprachliche Gleichsetzung von Tempel und Kirche im 18. Jahrhundert einer differenzierten Neubewertung der Begriffe wich, blieb das architektonische Modell des "Tempels" zur selben Zeit in der französischen Sakralarchitektur ein kontinuierliches Element. Das Fassadenmotiv der antiken Tempelvorhalle wurde dabei nicht nur an einigen, zumeist äußerst prominenten Einzelmonumenten wie der Église de la Sorbonne umgesetzt, sondern findet sich darüber hinaus sowohl in wichtigen unrealisiert gebliebenen Projektvorschlägen als auch in Entwurfsstudien idealtypischen Charakters. Der Dialog zwischen Kirchenfassade und Tempelfront stellt somit ein durchgehend bedeutendes Thema innerhalb der französischen Sakralarchitektur des 17. und 18. Jahrhunderts dar. Dennoch wurde der Versuch, dieses Thema im Zusammenhang darzustellen, bislang nicht unternommen.
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist der künstlerische Eigenwert der entsprechenden Fassaden und gleichzeitig die jeweils spezifische Form der architektonischen Umsetzung des Antikenzitats. Die Veränderungen, die im Hinblick auf die strukturelle Ausprägung des Architekturmotivs zu konstatieren sind, werden dabei schließlich als Prozeß interpretierbar, der signifikant den für die französische Architekturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts charakteristischen Wandel der architektursprachlichen Ausdrucksmodi zur Anschauung bringt.