Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Mit einem konventionellen Lächeln sah die junge Frau der stattlichen Dame entgegen, die nach Anmeldung des Dieners das luxuriöse Zimmer betrat. Hüben wie drüben ein forschender Blick, und dann umschlang ein Band von Sympathie die beiden ungleichen Frauen. »Seien Sie mir herzlich willkommen«, sprach die jüngere zaghaft. »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind.« »Wie formell!« lachte die andere. »Den Ton wollen wir erst gar nicht zwischen uns aufkommen lassen, mein Kind. Du bist immerhin die Frau meines Neffen, und ich bin daher die Tante Beate, die sogar auf deiner Hochzeit war.« »Entschuldige bitte, Tante Beate, aber da waren so viele. Bitte, nimm Platz. Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?« »Gegen eine Tasse Kaffee hätte ich nichts einzuwenden«, ließ Frau Beate Norber sich in einen der tiefen Sessel sinken, die den Kamin umstanden. »Es ist so ein richtiges Hubberwetter draußen, das bis auf die Knochen geht. Da ist ein heißer Kaffee schon angebracht. – Praktisch«, meinte sie, nachdem die junge Frau durch das Haustelefon die Bestellung aufgegeben hatte. »Da braucht man die dienstbaren Geister nicht erst herbeizuklingeln. Du hast es überhaupt wunderschön hier.«