Vom Aufbäumen und Aufwachsen handelt dieser Band mit Gedichten, zwischen 1992 und 2016 entstanden, die das Alltägliche besonders und das Außergewöhnliche zum Thema des Alltäglichen machen. Wie das zugeht? Der lyrische Sprachklang Mathilde Schrumpfs flüstert und summt, bewahrt Wortschätze. Die Verletzlichkeit, Hellhörigkeit und Klarsicht des Kindes hat diese Autorin nie eintauschen wollen. Das braucht Mut und ist ungewöhnlich in unserer Zeit, die sich mit Vernunft ebenso wappnet wie mit Unvernunft. Die Wahrheit der Dichtung aber liegt darüber: Wenn es gelingt, sie zu erahnen, ist das ein Glück.
Bleiben oder Gehen heißt es oft im Lieben. Doch ist der Versuch, Hingabe oder Verschwendung zu dosieren, manchmal vergeblich, sind die Sinne erst einmal geweckt. Den Zauber zwischenmenschlicher Anziehung zu entschlüsseln – das vermag auch Dichtung nicht. Aber sie kann ihn besingen, Verluste beklagen, ihr Recht fordern. Über die Jahre wachsen Selbstvertrauen und Gelassenheit, wo Aufregungen der Jugendzeit oft in Verzweiflung stürzten. Nicht Kühle oder Abstand sind an ihre Stelle getreten, sondern Einsicht in die Wandelbarkeit dessen, was die Dinge uns bedeuten. Was einmal furchtbar wichtig war, schmerzhaft, erscheint nun in milderem Licht: nicht abgetan, doch verheilt. Ein Glücksfall auch, wenn das Unbedingte jugendlichen Wollens sich allmählich entspannt.
Mathilde Schrumpf spürt in der Gefühlslandschaft der Kindheit und Jugend die Renitenz auf, die unwiederbringlich verloren schien, doch noch immer funkelt, lockt und sich ins Fäustchen lacht – zwischen Aufbäumen und Aufwachsen.