Im Herbst 1982 löste sich in der riesigen Südwand der Annapurna ein einzelner, faustgroßer Stein und traf den 28 Jahre jungen Schotten Alex MacIntyre – so wurde die Bergsteigerwelt eines ihrer größten Talente beraubt. MacIntyre war ein Enfant terrible der Kletterszene und zugleich ihr Visionär: eine Art Punk, der sich – nonkonformistisch, selbstbewusst und frech – nicht um althergebrachte Regeln scherte und mit seinen Erstbegehungen in den Alpen, den Anden sowie an den Himalaya-Giganten bis dahin Unvorstellbares in die Tat umsetzte: minimalistisch bis zum geht nicht mehr, bei maximaler Hingabe an die Sache.
Zu seinen größten Erfolgen zählen extreme Erstbegehungen an Himalaya-Giganten wie dem Changabang, Dhaulagiri oder Shisha Pangma sowie eine beeindruckende Serie von neuen Routen in den Alpen und den Anden. Dabei war der Stil seiner Besteigungen mindestens ebenso wichtig wie die Ästhetik ihrer Linie oder die Schwierigkeit. Alex war ein Visionär, der mit einer Handvoll Kollegen – darunter sein polnischer Kletterpartner Voytek Kurtyka – über alle gesellschaftlichen und politischen Grenzen hinweg die Obsession einer reinen Form des Bergsteigens teilte und lebte.
Besser Tiger als Schaf ist die deutsche Lizenzausgabe des mehrfach ausgezeichneten englischen Titels One Day as a Tiger. Alex McIntyre and the Birth of Light and Fast Alpinism (Vertebrate Publishing 2015), in dem John Porter seinen Seilpartner und Freund MacIntyre und den Zeitgeist der Siebzigerjahre lebendig werden lässt. Ein aus der Masse herausragendes, authentisches Bergbuch, das mit allen emotionalen Facetten packt und berührt: von urkomischen, mit typisch britischem Humor erzählten Szenen bis hin zu Ereignissen von erschütternder Tragik.