Die Rolle der Homosexuellen in Oper, Musical, Film und Literatur ist vielfältig untersucht worden, doch ausgerechnet die sorglos-melodienselige Operette fehlte bisher in dieser Liste. Das mag daran liegen, dass unsere heutige Wahrnehmung des Genres noch immer von den spießigen Inszenierungen der Nachkriegszeit geprägt ist, die nahtlos an die "gesäuberte" Aufführungspraxis unter dem Nationalsozialismus anknüpfte, die der Operette den Jazz und die sexuelle Anzüglichkeit gründlich ausgetrieben hat.
Dabei tummeln sich überdurchschnittlich viele Homosexuelle als Fans und Fachleute vor, hinter und auf der Operettenbühne. Sie berichten hier darüber, was sie an dieser Kunstform so faszinierend finden. Außerdem wird in einem großen historischen Streifzug untersucht, welchen Beitrag Schwule als Komponisten, Librettisten, Regisseure und Sänger in der Geschichte der Operette geleistet haben. Ferner werden schwule Elemente in klassischen Operetten wie dem "Weißen Rössl" mit seinen Tiroler Jungs in Lederhosen untersucht, und schließlich wird die neueste US-Operette, "The Beastly Bombing" aus dem Jahr 2006, vorgestellt, die immerhin mit einem schwulen Jesus, pädophilen Priestern und zwei Terroristen aufwartet, die getraut werden wollen.
Herausgeber Kevin Clarke ist der Direktor des Operetta Research Center Amsterdam, Autor von "Emmerich Kálmán und die transatlantische Operette" und "Im weißen Rössl – auf den Spuren einer Legende" sowie Organisator der Konferenz "Operette unterm Hakenkreuz" (2005). Sein Beitrag befasst sich mit Erik Charell und der Revueoperette im Berlin der 1920er Jahre.
Richard C. Norton, Autor der "Chronology of the American Musical Theater", analysiert das Werk der britischen Operettenklassiker Noël Coward und Ivor Novello.
Christophe Mirambeau, Biograf des Operettenkomponisten Albert Willemetz und des französischen Operettenstars Luis Mariano, beschreibt die schwule französische Operette des 20. Jahrhunderts.
Kurt Gänzl, Autor der dreibändigen "Encyclopedia of the Musical Theatre", widerspricht in seinem Beitrag dem Klischee vom glamourverliebten Schwulen.
Weitere Beiträge befassen sich mit dem Gesangsunterricht an der Berliner Universität der Künste (Adam Benzwi), Cross-Dessing in der Wiener Operette von 1860 bis 1936 (Hans-Dieter Roser), Camp als Schlüssel zum schwulen Operettenverständnis, der deutschen Fernsehoperette, der Vereinnahmung des Genres durch die Nazis, den Designern Viktor und Rolf und vielem mehr.