Die evangelische Liturgik hat einen neuen Begriff ins Spiel gebracht: Textklangraum. Wie kann Gottes Wort heute in unseren Gottesdiensten und Kirchen zum Klingen gebracht werden?
Dieser Begriff ist keineswegs unumstritten, wie die Kontroverse zwischen Christian Grethlein (Münster) und Alexander Deeg (Leipzig) zeigt. Für Grethlein steckt dahinter eine ästhetisch geschönte Kaschierung des Wirkungsverlustes von Liturgie gerade auch bei jungen Menschen, die sich mit Liturgie immer schwerer tun. Alexander Deeg dagegen will ästhetisches und empirisches Paradigma nicht gegeneinander ausspielen. Er versteht Gottesdienst als komplexes Phänomen aus Worten und Tönen, Räumen und Zeiten. Für ihn ist Klangraum nicht nur eine tragfähige, sondern höchst anregende Metapher.
Andreas Bieringer (Wien) empfiehlt Entdeckungen von Literaten bezüglich Liturgie als "Fremdenführung ins Eigene". Vorgestellt werden dann umgebaute Kirchen in Augsburg, Würzburg und Aschaffenburg - und wie in ihnen das Wort Gottes neu zum Klingen kommt. Es sind ganz unterschiedliche Erfahrungen, keine uniformen Muster, sondern höchst kreative Ansätze mit liturgietheologischer Qualität.
Ergänzt werden diese Beispiele mit Erfahrungen aus Gottesdienstübertragungen und ihrem Gewinn für die Gemeinde (Thomas Vogl) sowie einem liturgiewissenschaftlichen Zwischenruf von Siri Fuhrmann: sie bemerkt einen Mangel an kreativem Umgang mit der Herausforderung von individualisierter Lebensgestaltung. Mögliche Wegmarkierungen in dieser Richtung bieten das Gespräch mit Andreas Odenthal (Tübingen) und der Projektbericht von Michael Meyer-Blanck (Bonn), der sich wie ein Vermittlungsversuch zwischen Deeg und Grethlein liest. Er fordert für den Gottesdienst ästhetische, religiöse, partizipatorische und Stimmungs-Qualität: ästhetische Qualität ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts.