Feierliche Abendessen, zu jenen grauen Vorzeiten um das Jahr 1905 herum "Diners" genannt, waren der Schrecken meiner Eltern, aber die Wonne von uns Kindern. War das Weihnachtsfest vorĂŒber, hatten zu Neujahr Portier, BrieftrĂ€ger, Schornsteinfeger, Waschfrau, der Milch- wie der BĂ€ckerjunge ihren meist sowohl hinten gereimten wie auf buntes Papier gedruckten Neujahrswunsch abgegeben und dafĂŒr nach einer geheimnisvollen Preisskala BetrĂ€ge von zwei bis zu zehn Mark empfangen, so fing meine gute Mutter erst sachte, bald dringlicher an zu mahnen: "Arthur, wir mĂŒssen wohl allmĂ€hlich an unser Diner denken!"
Zuerst sagte mein Vater nur leichthin: "Das hat gottlob noch ein biĂchen Zeit!" SpĂ€ter seufzte er, schlieĂlich stimmte er bei: "Dann werden wir also wieder einmal in den sauren Apfel beiĂen mĂŒssen. Aber das sage ich dir, Louise: mehr als fĂŒnfundzwanzig Personen laden wir diesmal nicht ein! Das vorige Mal war eine FĂŒlle, daĂ keiner bei Tisch die Ellbogen bewegen konnte!"
Worauf Mutter ihm zu bedenken gab, daĂ wir, bloĂ um uns zu "revanchieren", mindestens vierzig Personen einladen mĂŒĂten. "Sonst mĂŒssen wir eben zwei Diners geben, und zweimal diesen Aufstand im Hause zu haben, das bringt dich und mich um! AuĂerdem wĂŒrden die zum zweiten Diner Eingeladenen alle gekrĂ€nkt sein, denn ein zweites Diner gilt doch nur als Lumpensammler!"
So glitten die Eltern ganz von selbst in immer hĂ€ufigere eifrige Debatten ĂŒber "unser Diner", Debatten, denen wir Kinder mit gröĂter Anteilnahme lauschten. Noch nicht so wichtig war uns die Frage, wer geladen wurde, wer neben wem sitzen sollte, trotzdem gerade diese Frage meinen Eltern besonderes Kopfzerbrechen machte. Denn einesteils waren Rangordnung und Dienstalter (unter BerĂŒcksichtigung etwaiger Ordensauszeichnungen) strengstens zu beachten, zum andern muĂten auch persönliche Sym- und Antipathien bedacht werden. Und schlieĂlich entstand die schwere Frage: Hatten die so fĂŒr ein vierstĂŒndiges Essen aneinander Gebannten sich auch was zu âŠ