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Der konservative Impuls : Wandel als Verlusterfahrung

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Wie gehen Menschen mit einschneidenden VerĂ€nderungen um? Wie werden z. B. Tod und Trauer, Exil und der Verlust der Heimat, aber auch Hyperinflationen, Revolutionen oder sozioökonomische EntwicklungssprĂŒnge sowohl individuell als auch gesellschaftspolitisch wahrgenommen und bewĂ€ltigt?

Peter Waldmann geht davon aus, dass Situationen radikalen Wandels, die ĂŒberkommene Strukturen prinzipiell infrage stellen, hĂ€ufig VerlustĂ€ngste auslösen und ein Festhalten an Altem und Vertrautem zur Folge haben – viele Menschen geben sich, in solche Ereignisse involviert, dem "konservativen Impuls" hin, sie sehen sich als kĂŒnftige Modernisierungsverlierer. In anderen Bevölkerungskreisen stoßen die VerĂ€nderungen jedoch auf Beifall und wecken Hoffnungen auf eine verheißungsvolle Zukunft. Die Gesellschaft spaltet sich in gegensĂ€tzliche Lager.

Die Untersuchung des bekannten Soziologen bezieht sich auf die jĂŒngste Neuzeit und handelt von FĂ€llen individuellen und rapiden sozioökonomischen Wandels sowie politischer UmbrĂŒche an der europĂ€ischen Peripherie als auch in Lateinamerika, im Mittleren Osten und in Ostasien. An neun idealtypischen Beispielen vermisst er die StĂ€rke des konservativen Impulses. Denn je nach Zeitpunkt, Kontext und KrĂ€fteverhĂ€ltnis können Äußerungen und TriebkrĂ€fte des konservativen Impulses nicht nur die Entwicklungsdynamik bremsen, sondern dieser auch förderlich sein oder sogar zu einer ihrer wesentlichen Voraussetzungen werden.

Disruptiver Wandel löst folglich regelmĂ€ĂŸig gegensĂ€tzliche Reaktionen aus: einerseits das verzweifelte, letztlich vergebliche Festhalten an der Vergangenheit, andererseits, angesichts der Notwendigkeit, sich auf die neue Situation einzustellen, das BemĂŒhen, dieser gerecht zu werden. Das Abarbeiten der Spannung zwischen diesen beiden Polen ist eine Voraussetzung dafĂŒr, dass die Betroffenen in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben. Der konservative Impuls ist, so Waldmanns Fazit, eine hochambivalente GrĂ¶ĂŸe.