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Die Geschwister von Neapel

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Zwischen Bruder und Schwester tauchte das Thema dieses GesprĂ€ches immer wieder auf. Placido war ein TausendkĂŒnstler des Ablenkens und EntschlĂŒpfens. Heute aber sollte er nicht entschlĂŒpfen. Grazia fĂŒhlte es als heiße Pflicht: »Warum gehst du nicht zu Papa und sagst ihm, daß du Philosophie studieren willst und nicht dieses langweilige Jus?« »Ich studiere ja beides. In diesem Semester habe ich auch bei Benedetto Croce inskribiert.« »Beides, das ist zuviel fĂŒr einen Menschen«, bohrte sie weiter, »man sieht es dir an. Warum hast du nicht den Mut, zu Papa zu gehn?« Diese aufrĂŒhrerische Forderung nach Mut hĂ€tte bei jedem Kenner Don Domenicos unzweifelhaft KopfschĂŒtteln erregt. Grazia selbst hatte noch niemals einen solchen Mutbeweis geliefert. Von ihrem Ehrgeiz fĂŒr Placido hingerissen, gebrauchte sie dies schwerwiegende Wort ohne praktische Vorstellung. Er aber setzte sich nieder und verschlang die HĂ€nde ĂŒber die Knie: »Ich habe nicht den Mut, wir haben ihn alle nicht, doch ich hĂ€tte ihn vielleicht, wenn ...«